Bremen: Asylmissbrauch und Sozialhilfebetrug

16. März 2000

Ende Februar dieses Jahres deckte in Bremen eine Sonderermittlungsgruppe der Polizei massiven organisierten Asylmissbrauch und Sozialhilfebetrug auf. Mehrere Hundert Personen türkischer Staatsangehörigkeit hatten sich aufgrund falscher Angaben zu ihrer Identität über Jahre hinweg widerrechtlich in Bremen aufgehalten und rechtswidrig Sozialleistungen bezogen. Der Schaden wird auf zweistellige Millionenbeträge geschätzt.

Wie die Bremer Innenbehörde bekannt gab, umfasst der derzeitige Fall rund 500 Personen, die seit 1986 nach Deutschland kamen. Dabei handelt es sich um mehrere große Familienverbände aus der Türkei, einschließlich ihrer in Deutschland geborenen Kinder. Nach Ablehnung ihres Asylgesuchs tauchten die Betroffenen unter und stellten später in Bremen als Libanesen einen vermeintlichen "Erstasylantrag". Nachdem auch diese Anträge abgelehnt wurden, konnten sie jedoch nicht in den Libanon abgeschoben werden, weil dieses Land sich weigerte, die nicht als Staatsbürger registrierten Abschiebekandidaten aus Deutschland aufzunehmen.

Bremens Innensenator Bernt Schulte (CDU) forderte von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) Konsequenzen aus dem jüngsten Fall, so z.B. die Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle für derartige Fälle. Die evangelische Kirche, der Deutsche Städtetag und Amnesty International warnten vor Verallgemeinerungen, denn der Asylmissbrauch stelle die Ausnahme dar.

Weder Bremens Bürgermeister und Justizsenator Henning Scherf (SPD) noch Innenminister Schily sehen Bedarf für eine Verschärfung des Asylrechts. Seit Anfang der 90er Jahre das automatisierte Fingerabdruck-Identifizierungssystem (AFIS) eingeführt wurde, ist der Asylmissbrauch bei neu ankommenden Asylbewerbern sehr selten geworden. Mit dem AFIS werden Fingerabdrücke aller Asylbewerber automatisch erfasst und ausgewertet. Bei den Bremer Fällen handelt es sich gewissermaßen um "Altfälle"; derartige Doppelidentitäten würden heute nicht mehr über einen so langen Zeitraum unentdeckt bleiben. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sprach sich für eine änderung des Asylverfahrensgesetzes aus, während Bayern auf die Einführung einer Chipkarte für Asylbewerber drängt, die alle personenbezogenen Daten sowie einen digitalen Fingerabdruck zur Verhinderung von Leistungsmissbrauch enthält (vgl. MuB 7/98).

Bei knapp 200 der 500 Personen sind die Ermittlungen inzwischen abgeschlossen. 24 von ihnen wurden bereits in die Türkei abgeschoben; alle anderen sollen folgen.

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