Mexiko: Doppelte Staatsbürgerschaft zugelassen

10. Juni 1998

Das mexikanische Parlament verabschiedete Ende März 1998 ein Gesetz, das Mexikanern die doppelte Staatsbürgerschaft gestattet. Bisher verloren Mexikaner, die Staatsangehörige eines anderen Landes wurden, automatisch die mexikanische Staatsbürgerschaft.

Das neue Gesetz spricht von „dualer Nationalität", was einer eingeschränkten doppelten Staatsbürgerschaft entspricht. Bestimmte staatsbürgerliche Rechte und Pflichten bleiben Mexikanern mit einem ausländischen Paß auch künftig vorenthalten: Sie sind in Mexiko weder wahlberechtigt, noch dürfen sie öffentliche Ämter bekleiden. Ferner ist es ihnen nicht erlaubt, in der mexikanischen Armee zu dienen. Die wichtigste Veränderung des Gesetzes betrifft Eigentums- und Investitionsbestimmungen. Ausländern ist es untersagt, Land in Küsten- und Grenzgebieten Mexikos zu besitzen. Bisher fielen auch Mexikaner, die in einem anderen Land naturalisiert wurden, unter diese Regelung. Diese und weitere Beschränkungen, z.B. im Erbrecht, gelten für Mexikaner mit einer zweiten Staatsbürgerschaft zukünftig nicht mehr. Sie genießen fortan die gleichen Eigentums- und Erbrechte wie Inländer. Des weiteren wurde die Weitergabe der Staatsbürgerschaft nach ius sanguinis, also durch Abstammung von mexikanischen Eltern eingeschränkt: Nur noch Angehörige der zweiten Generation, d.h. im Ausland geborene Kinder von geborenen Mexikanern, haben Anspruch auf die mexikanische Nationalität — die Generation der Enkel jedoch nicht mehr.

Die Gesetzesänderung betrifft vor allem Mexikaner in den USA. Mit rund 7 Mio. Personen bilden sie die größte und damit wichtigste Zuwanderergruppe der Vereinigten Staaten (vgl. MuB-Online 2/98). Einwanderer mexikanischer Herkunft, die inzwischen die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzen, sowie ihre in den USA geborenen Kinder können seit Mai 1998 wieder einen mexikanischen Paß beantragen. Der drohende Verlust ihrer Nationalität und damit von Erbansprüchen und Eigentumsrechten hatte bislang viele Mexikaner in den USA davon abgehalten, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Es wird erwartet, daß die Zahl mexikanischer Antragsteller in Zukunft deutlich ansteigen wird.

Der Wegfall der Investitionsbeschränkungen könnte zusätzliches Kapital ins Land bringen. Die mexikanische Regierung geht davon aus, daß die neuen Regelungen Mexikaner im Ausland dazu bewegen werden, verstärkt in ihr Herkunftsland zu investieren. Schon jetzt sind die Geldüberweisungen von in den USA lebenden Mexikanern an Familienangehörige eine wichtige Ein

nahmequelle für das Land (rund 4 Mrd. US-Dollar pro Jahr).

Mexikaner in den USA begrüßten das neue Gesetz, sprachen sich jedoch für volle staatsbürgerliche Rechte und Pflichten, insbesondere für das Wahlrecht aus. In den ersten zwei Monaten, nachdem das Gesetz in Kraft trat, wurden über 1.500 Anträge auf mexikanische Nationalität in Konsulaten in den USA gestellt.

In den Vereinigten Staaten entfachte das mexikanische Gesetz erneut Debatten um die doppelte Staatsbürgerschaft. Gegner der Mehrstaatigkeit kritisierten die Entscheidung des mexikanischen Parlaments: das Beibehalten der mexikanischen Nationalität würde den Integrationsprozeß mexikanischer Zuwanderer in den USA verlangsamen. Ein wesentlicher Punkt in der Diskussion ist der Treueeid, der bei der Verleihung der amerikanischen Staatsbürgerschaft abgelegt werden muß. Der Eid verlangt von allen neuen Staatsbürgern, daß sie ihre Bindung ans Herkunftsland aufgeben. Praktisch hat dieses Bekenntnis jedoch keine Bedeutung, da die amerikanische Einwanderungsbehörde nicht überprüft, ob die Antragsteller ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit abgelegt haben. Gegner der doppelten Staatsbürgerschaft argumentieren, man könne nicht gleichzeitig mehreren Staaten gegenüber Loyalität bewahren. Insbesondere zu Zeiten von politischen Auseinandersetzungen oder gar Krieg wären Personen mit mehreren Pässen in der Zwangslage, sich für ein Land entscheiden zu müssen. Befürworter der Mehrstaatigkeit hingegen sehen seit dem Ende des Kalten Krieges kaum mehr Berechtigung für derartige Bedenken.

Weltweit gestatten etwa 80 Länder, unter ihnen die USA, Frankreich, Großbritannien, Italien und Irland sowie viele Herkunftsländer von US-Einwanderern die doppelte Staatsbürgerschaft. Deutschland, Österreich, Schweden, Australien, China und Indien sind Länder, in denen Mehrstaatigkeit im Prinzip nicht erlaubt ist, unter bestimmten Umständen jedoch geduldet wird.

Quellen: The Globe and Mail, 7. Januar 1998, 8. Januar 1998; 20. Januar 1998; Migration News 01/98

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