Afghanistan: Flüchtlingskrise dauert an

19. November 2001

Die durch die Terroranschläge in den USA am 11. September dieses Jahres verursachte Flüchtlingskrise in Afghanistan hält an. Sie verschärfte sich in Folge der militärischen Auseinandersetzungen zwischen den USA bzw. deren Verbündeten und den in Afghanistan herrschenden Taliban (vgl. MuB 7/01). Eine Sprecherin des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) schätzte die Zahl der Binnenvertriebenen auf etwa 2 Mio. Weiterhin dramatisch ist die Versorgungslage der Flüchtlinge und der Not leidenden Bevölkerung innerhalb Afghanistans.

Das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) gab bekannt, dass seit dem 11. September dieses Jahres rund 135.000 Menschen aus Afghanistan nach Pakistan geflohen seien (Stand: 6.11. 2001). Die genaue Zahl sei allerdings kaum zu ermitteln, da es mehr als 300 offizielle Grenzübergänge gibt. Zudem floh eine unbestimmte Zahl von Afghanen über die Berge.

Pakistan öffnete am 30. Oktober einen Grenzübergang, um ca. 500 afghanischen Kindern und Frauen die Einreise zu gestatten. UNHCR berichtete außerdem, dass verschiedene übergänge kurze Zeit für „humanitäre Fälle" geöffnet wurden. Jedoch hielten sich im Grenzgebiet immer noch Hunderte bzw. Tausende Flüchtlinge auf, denen der übertritt verweigert wurde. Die Grenze sowohl zu Pakistan als auch zum Iran blieb weiterhin offiziell geschlossen. Bis zu 1.500 afghanische Flüchtlinge sollen an der Grenze zum Iran kampieren. Das dortige Flüchtlingslager Makaki, das sich auf afghanischem Gebiet befindet, sei überfüllt. Daher müssten die neu ankommenden Flüchtlinge unter freiem Himmel übernachten. UNHCR zeigte sich besorgt über die Sicherheitslage der Flüchtlinge, da sich Augenzeugenberichten zufolge auch Taliban-Milizen im Lager aufhielten. Das UN-Flüchtlingshilfswerk berichtete ferner, dass ein Teil der in den Iran geflüchteten Afghanen bereits wieder in ihre Heimat zurückgekehrt sei.

UNHCR und die pakistanische Regierung einigten sich Anfang November auf die Errichtung von insgesamt elf neuen Flüchtlingslagern auf pakistanischem Boden. Die Kapazitäten dort reichen für die Unterbringung von 150.000 Menschen. Dort soll ein großer Teil der seit dem 11. September aus Afghanistan Geflüchteten untergebracht werden. Das Flüchtlingshilfswerk will zu diesem Zweck Afghanen aus Notauffanglagern, die für eine dauerhafte Unterbringung ungeeignet sind, in die neuen Flüchtlingslager verlegen.

Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) hat unterdessen seine Hilfslieferungen wieder aufgenommen. Jedoch bereite die Sicherheitslage innerhalb Afghanistans immer noch Probleme. Im nördlichen Teil Afghanistans will WFP ca. 3 Mio. Afghanen mit Nahrungsmitteln versorgen. Erste Schneefälle in nordöstlich von Kabul gelegenen Gebirgsregionen künden bereits vom nahenden Einbruch des Winters. Ein Sprecher von WFP sagte, der Schneefall drohe die Zufahrtswege zu der in Bergdörfern lebenden Bevölkerung zu versperren. Dort seien etwa 700.000 Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Das Welternährungsprogramm will eigenen Angaben zufolge versuchen, mit bereits bestellten Schneepflügen die wichtigsten Bergpässe im Land offen zu halten. über nicht mehr zugänglichen Gebieten wolle man notfalls Nahrungsmittel aus Flugzeugen abwerfen.

Unterdessen gab UNHCR bekannt, dass die Zahl afghanischer Asylbewerber in Europa drastisch gestiegen sei. Zwischen Juli und September dieses Jahres hätten 10.100 Afghanen Asyl in Europa beantragt. Damit stieg die Zahl im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres um 84%, als 5.500 Afghanen in Europa Asyl beantragten.

Ausgabe: