Länderprofil: Finnland

26. Oktober 2003

Einwanderung: Die Einwohnerzahl Finnlands beträgt rund 5,2 Mio. (2002). Davon sind 103.682 ausländische Staatsbürger, das entspricht einem Anteil von knapp 2%. 152.057 Personen wurden im Ausland geboren. Dabei handelt es sich sowohl um Ausländer als auch um im Ausland geborene Finnen.

Das Thema Einwanderung und migrationspolitische Fragen haben in der finnischen Öffentlichkeit und Politik erst seit den 1990er Jahren zunehmend an Relevanz gewonnen. Finnland ist eher ein klassisches Auswanderungsland, bis Mitte der 1980er Jahre blieb das Land praktisch unberührt von Zuwanderungsprozessen. Seit 1989 ist ein stetiger Anstieg der Zahl von Migranten zu beobachten. Zu Beginn der 1990er Jahre stieg die Zahl der Neuzuwanderer um 43% (1990: 13.558, 1991: 19.001).

Der Zusammenbruch des sowjetischen Systems hatte für Finnland, wie auch für andere europäische Länder, einen sprunghaften Anstieg der Zuwandererzahlen zur Folge. Weiterhin hat der Beitritt zum EWR bzw. zur EU 1995 Wanderungsbewegungen von und nach Finnland beeinflusst. Schließlich wurden im Rahmen der Ratifizierung internationaler Abkommen, wie der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), Flüchtlinge und Asylbewerber aufgenommen. Das Recht auf Familienzusammenführung führte zum Anwachsen und zur weiteren Diversifizierung der ausländischen Bevölkerung.

Die größte Gruppe der Ausländer sind russische Zuwanderer, derzeit leben ca. 24.300 (2002) russische Staatsbürger in Finnland. Die zweitgrößte Gruppe sind Esten. Ihre Zahl liegt bei ca. 12.400 (2002). Die Hauptregionen, aus denen Flüchtlinge und Asylbewerber aufgenommen wurden, sind Somalia (ca. 4.600), Ex-Jugoslawien (4.200) und der Irak (ca. 3.400). Ende der 1990er Jahre erhöhte sich die Anzahl der Asylbewerber aus Osteuropa, besonders aus Polen und der Slowakei, was zur Einführung von beschleunigten Verfahren bei „offensichtlich unbegründeten" Anträgen im Asylrecht führte.

Der Ausländeranteil von derzeit 1,9% (2002) ist im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten sehr gering. Es ist vielmehr der rasche und stetige Anstieg des Ausländeranteils seit den 1990er Jahren (1990: 0,5%), der zu zahlreichen Reformen in der Migrations- und Integrationspolitik führte.

Einwanderungspolitik: Bis Ende der 1980er Jahre konzentrierte sich die Migrationspolitik ausschließlich auf die Förderung der Rückwanderung ehemals ausgewanderter Finnen. Erst 1991 wurde ein Ausländergesetz geschaffen, das Möglichkeiten zur Einwanderung und die damit verbundenen Aufenthaltstitel bestimmt. Dieses Gesetz ist im Laufe der 1990er Jahre mehrfach geändert und ergänzt worden.

Die größte und bisher bedeutendste Reform fand 1995 mit der Gründung einer Kommission für Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik statt. Aus dem Kommissionsbericht ging 1997 das „Regierungsprogramm der Zuwanderungs-, Integrations- und Flüchtlingspolitik" hervor. Dieses spiegelt den aktuellen Trend der Migrationspolitik wider -staatliche Restriktion und Regulierung der Zuwanderung einerseits und Förderung der Integration der in Finnland lebenden Ausländer andererseits.

Für EU-Bürger und Staatsangehörige der Nordischen Länder besteht Freizügigkeit. Zuwanderung von EU-Bürgern findet jedoch nur in geringem Umfang statt. Aus den Nordischen Ländern findet nur die Einwanderung von schwedischen Staatsbürgern in einer nennenswerten Größenordnung statt (ca. 500 bis 700 pro Jahr).

Das Ziel, Zuwanderung zu begrenzen, wird bei der geringen Anzahl von Arbeitsmigranten aus Nicht-EU-Ländern deutlich. Qualifizierte Ausländer aus Drittstaaten erhalten zunächst einen temporären Aufenthaltsstatus sowie eine Arbeitserlaubnis für ein Jahr. Eine Prüfung der lokalen Arbeitsmarktlage sowie der Qualifikationen der Arbeitnehmer, wie Kenntnisse der Amtssprachen Finnisch bzw. Schwedisch und formale Ausbildungsabschlüsse des Bewerbers, machen eine Einwanderung fast ausschließlich für Hochqualifizierte möglich. Die Begrenzung der Zuwanderungsmöglichkeiten spiegelt sich auch in den Statistiken wider: Das Gros der Zuwanderung nach Finnland erfolgt durch Eheschließung mit einem finnischen Staatsbürger (ca. 2.800 jährlich) sowie über die Familienzusammenführung (ca. 5.000 jährlich) von bereits in Finnland lebenden Ausländern.

Flucht und Asyl: Seit 1986 werden jährlich Kontingentflüchtlinge aufgenommen. Die Anzahl der Flüchtlinge blieb bis Ende der 1980er Jahre sehr gering. Erst in den 1990ern stieg die Anzahl der Asylbewerber, das jährliche Kontingent wurde schrittweise erhöht. Die Zahl der Asylbewerber ist von nur 179 im Jahr 1989 auf 3.634 im Jahr 1992 gestiegen. Danach sanken die Zahlen auf ca. 800 jährlich. Seit Ende der 1990er stiegen sie erneut auf über 3.000 Antragsteller pro Jahr an (2002: 3.443). Das Kontingent wurde von 500 Personen zu Beginn der 1990er schrittweise auf derzeit 750 erhöht. Im Zeitraum 1994-98 wuchs die Flüchtlingsbevölkerung in Finnland um 50%.

Im Zuge der Reformen der Zuwanderungspolitik wurde auch das Asylrecht restriktiver gestaltet. Es wurden beschleunigte Verfahren bei „offensichtlich unbegründeten" Anträgen sowie DNA-Tests eingeführt, die im Falle fehlender Ausweispapiere zum Beweis der biologischen Verwandtschaft herangezogen werden. Finnland zeigt im skandinavischen Vergleich und auch im Vergleich zu nahezu allen westeuropäischen Staaten geringe Zahlen von Asylbewerbern und Flüchtlingen. Derzeit leben insgesamt ca. 20.700 Flüchtlinge (2002) in Finnland.

Besonderheiten: Eine Besonderheit in der finnischen Migrationsgeschichte und -politik ist das Recht auf Zuwanderung auf der Grundlage „finnischen Ursprungs". Bis 1990 kamen über diesen Weg nur ehemalige finnische Auswanderer oder deren Nachkommen aus den Nordischen Ländern, den USA oder Kanada nach Finnland. Das Recht war Bestandteil der Politik zur Förderung der Rückwanderung. 1990 ernannte der damalige finnische Präsident Mauno Koivisto (Sozialdemokraten) auch die Ingermanländer zu „ethnischen Finnen". Als Ingermanländer oder auch „russische Finnen" bezeichnet man Staatsbürger aus der ehemaligen Sowjetunion, deren Vorfahren im 17. und 18. Jahrhundert oder zu den Zeiten des ersten und zweiten Weltkrieges aus Finnland in die heutigen Regionen Russlands und Estlands auswanderten. In der ehemaligen Sowjetunion waren sie größtenteils als „finnischen Ursprungs" registriert. Als Minderheit versuchten sie, die finnische Sprache und Kultur aufrechtzuerhalten. Dieser neue Weg der Einwanderung nach Finnland kann mit der Zuwanderung von (Spät)Aussiedlern nach Deutschland verglichen werden.

Die Akzeptanz der Ingermanländer als ethnische Finnen startete eine Zuwanderungsbewegung mit der innerhalb weniger Jahre über 20.000 Personen nach Finnland kamen. Seit 1990 ist die Einwanderung von russischen und estnischen Staatsbürgern finnischen Ursprungs stetig gewachsen. Im Jahr 2000 standen 22.000 Ingermanländer auf der Warteliste für eine Aufenthaltserlaubnis.

Diese Tatsachen sowie deutliche Integrations- und Sprachschwierigkeiten, vor allem bei den jüngeren Generationen, haben zu Restriktionen dieser ethnisch privilegierten Zuwanderung geführt. Seit 1996 müssen Rückwanderer aus Osteuropa an Orientierungs- und Sprachkursen in ihren Herkunftsregionen teilnehmen. Ferner müssen sie bereits eine Zielgemeinde in Finnland angeben und diese nach Wohnmöglichkeiten kontaktieren, bevor sie eine Aufenthaltserlaubnis erhalten.

Im Frühjahr 2002 wurde von der finnischen Regierung beschlossen, in Zukunft Sprachtests und weitere Kriterien, wie die Prüfung der beruflichen Qualifikation der Antragsteller und der finnischen Arbeitsmarktlage, als Vorraussetzung für die Zuwanderung aufgrund finnischen Ursprungs einzuführen. Diese Reformvorhaben sind derzeit noch nicht umgesetzt worden.

Integration: Bereits in den 1990er Jahren gab es in einigen Gemeinden Finnlands (z.B. Helsinki) vereinzelt Integrationsprogramme, die sich auf Sprachkurse für Ausländer konzentrierten. Der Kommissionsbericht zur Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik wies Ende der 1990er Jahre auf die prekäre Arbeitsmarktsituation und Sprachschwierigkeiten der ausländischen Bevölkerung hin.

Seit 1999 gibt es ein nationales Integrationsgesetz, das die Integration von Ausländern in den finnischen Arbeitsmarkt und die finnische Gesellschaft unter Aufrechterhaltung der eigenen Sprache und Kultur fördern soll. Das Gesetz legt fest, dass Asylbewerber und alle Ausländer, die Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe empfangen, verpflichtet sind, an Integrationsmaßnahmen, wie Sprachkursen, Umschulungen, Berufstraining oder Kursen über die finnische Gesellschaft und Kultur teilzunehmen. Ein besonderer Schwerpunkt des Gesetzes liegt auf bildungspolitischen Maßnahmen für ausländische Kinder und Jugendliche. Während dieser Zeit und nur, wenn die Migranten an den vereinbarten Kursen teilnehmen, erhalten sie finanzielle Unterstützung. Dieser so genannte Integrationszuschuss berechnet sich nach der Familiengröße.

Staatsbürgerschaft und Einbürgerung: Die finnische Staatsbürgerschaft wird bei Geburt nur an Kinder finnischer Eltern vergeben. Ist lediglich ein Elternteil im Besitz der finnischen Staatsbürgerschaft, so gilt Folgendes: Ist die Mutter Finnin, dann wird die Staatsbürgerschaft an das Kind automatisch weitergegeben. Handelt es sich bei dem Vater um einen Finnen, erhält das Kind die finnische Staatsangehörigkeit nur dann, wenn das Kind innerhalb einer Ehe zur Welt kommt. Der Finne muss also mit der Ausländerin verheiratet sein.

Ausländer können mit Erreichen der Volljährigkeit und nach 5-jährigem legalen Aufenthalt einen Antrag auf Einbürgerung stellen. Sie müssen die Kenntnis der finnischen oder schwedischen Sprache, ihre Unbescholtenheit sowie einen gesicherten Lebensunterhalt nachweisen können. Nordische Staatsbürger können sich nach 2-jährigem Aufenthalt und ohne Sprachtest einbürgern lassen.

Die Einbürgerung von Ausländern hat seit Mitte der 1990er Jahren deutlich zugenommen. Während die Einbürgerungsquote Mitte der 1990er Jahre noch bei 1,2% lag, stieg sie bis 1998 auf 5% an. Von 1990-96 wurden jährlich ca. 900 Migranten eingebürgert. 1998 und 1999 waren es über 4.000, seither sind es jährlich rund 2.500 Personen.

Einbürgerungen unter Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft finden bisher nur statt, wenn das Herkunftsland seine Staatsangehörigen nicht aus der Staatsbürgerschaft entlässt. Eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts für 2003/04 sieht jedoch vor, die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft einzuführen.

Ausblick: Die noch sehr junge Einwanderungsgeschichte Finnlands zeigt, dass das Land trotz geringen Ausländeranteils relativ schnell versucht hat, den Trend der wachsenden Einwanderung seit den 1990er Jahren rechtlich zu steuern und zu begrenzen. Die migrationspolitischen Entscheidungen haben und werden die Einwanderung nach Finnland auch weiterhin nicht stoppen, sondern lediglich Finnlands Weg zu einem Einwanderungsland begleiten. Bevölkerungsprognosen gehen von einer Nettozuwanderung von jährlich rund 3.000 Migranten bis zum Jahr 2010 aus.

Finnland zeigt aber auch ein eindeutiges Bekenntnis zu seiner realen Einwanderungssituation und der damit verbundenen Aufgabe, Ausländer zu integrieren. Das Integrationsgesetz, das die Integration der Migranten unter Anerkennung ihrer kulturellen und sprachlichen Andersartigkeit fördern soll, prägt die Lebenssituation jetziger und zukünftiger Ausländer in Finnland. Lisa Hauss, Dipl.Soz.

Weitere Informationen (in Englisch) unter:
www.mol.fi/migration
www.utu.fi/erill/instmigr
www.tilastokeskus.fi

In dieser Reihe bisher erschienen:
Japan (MuB 4/03), Polen (MuB 5/03), Frankreich (MuB 6/03) und Italien (MuB 7/03)

Lisa Hauss

Ausgabe: