Länderprofil: Griechenland

25. November 2003

Wanderungsbewegungen spielten in der Geschichte Griechenlands schon immer eine bedeutende Rolle. Als sich das Osmanische Reich im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert auflöste, führten damit zusammenhängende Konflikte zu Fluchtbewegungen und Bevölkerungsverschiebungen in Südost-Europa. Griechenland war sowohl Teil dieser militärischen Auseinandersetzungen als auch Aufnahmeland für eine große Zahl von Flüchtlingen, insbesondere in den Jahren 1922/23. Der Niederlage im Krieg gegen die Türkei folgte 1923 ein Bevölkerungsaustausch zwischen beiden Staaten, dessen Bedingungen durch den Lausanner Vertrag geregelt wurden.

Griechenland war jedoch auch Auswanderungsland. Eine beträchtliche Zahl von Griechen emigrierte um die Jahrhundertwende, vor allem in die Vereinigten Staaten. Nach 1945 erfolgte eine weitere Auswanderungswelle nach Australien, Kanada und in die USA. In den 1960er Jahren gingen Zehntausende Griechen als Gastarbeiter nach Deutschland und andere westeuropäische Staaten.

Die Zahl der Auswanderer ging ab Mitte der 1970er Jahre mit der Demokratisierung Griechenlands und einer einsetzenden Phase wirtschaftlichen Wachstums wieder zurück. Gleichzeitig stieg die Zahl der Einwanderer an, da Griechenland nun sowohl Ziel von politischen Flüchtlingen aus post-kolonialen Staaten als auch von Arbeitsmigranten aus Marokko und Äthiopien wurde. Gegen Ende der 1980er Jahre verzeichnete das Land die Rückkehr ethnischer Griechen aus Osteuropa und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion.

Der Zusammenbruch der UdSSR und damit zusammenhängende politische und wirtschaftliche Entwicklungen in Osteuropa führten zu einem bedeutenden Anstieg des Migrationspotenzials in dieser Region. Nicht zuletzt aufgrund seiner geographischen Lage war Griechenland potenzielles Ziel von Migranten aus osteuropäischen Staaten. Außerdem bot der Dienstleistungs- und Agrarsektor Beschäftigungsmöglichkeiten, allerdings vornehmlich im informellen Sektor. Die Kostenvorteile durch die illegale Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften trugen dazu bei, die Inflation gering zu halten. Damit halfen sie auch, die Bedingungen für einen Beitritt Griechenlands zur Europäischen Währungsunion zu erfüllen.

Ausländische Wohnbevölkerung: Dem Zensus zufolge lebten im Jahr 2001 797.100 Ausländer in Griechenland, was einem Ausländeranteil von 7,3% entsprach. 1981 hatte die Zahl der Ausländer bei 176.120 gelegen. Experten schätzen allerdings, dass weit mehr Ausländer in Griechenland leben und ihre Zahl näher an der Millionengrenze liegt.

Die Mehrheit der Ausländer stammt aus Osteuropa. Die größte Gruppe sind Albaner, die mit 443.550 Personen (55,6%) mehr als die Hälfte aller Ausländer stellen (siehe Tabelle).

Der jüngste Zensus 2001 zeigte auch, dass die Bevölkerung Griechenlands ohne Zuwanderung geschrumpft wäre. Fast der gesamte Bevölkerungszuwachs zwischen 1981 und 2001 basiert auf der Zuwanderung von ethnischen Griechen und Ausländern.

Einwanderungs- und Ausländerpolitik: Die Einwanderungs- und Ausländerpolitik Griechenlands bis Ende der 1980er Jahre basierte im Wesentlichen auf dem Gesetz 4310 aus dem Jahr 1929. Dieses Statut regulierte zum einen den Aufenthalt von Ausländern, es sollte aber auch die Assimilation ethnischer Griechen fördern, die durch den Bevölkerungstausch mit der Türkei 1923 nach Griechenland gekommen waren.

1991 wurde ein neues Gesetz verabschiedet. Es war vor allem eine Reaktion auf das gestiegene Migrationspotenzial in Osteuropa und beinhaltete Verschärfungen in den Bereichen Einreise und Abschiebung.

1998 wurde erstmals eine Regularisierung von Migranten durchgeführt, die sich illegal in Griechenland aufhielten. 371.461 der schätzungsweise bis zu 700.000 illegal anwesenden Migranten erhielten auf diesem Wege einen legalen Aufenthaltsstatus. Eine zweite Regularisierung erfolgte 2001 und war Teil eines neuen Zuwanderungs- und Ausländergesetzes (Gesetz 2910). Dieses Gesetz beinhaltet neue Bestimmungen zum Aufenthaltsrecht sowie zur Einwanderung von Arbeitsmigranten und Familienangehörigen. Ausländer, die zwei Jahre legal in Griechenland gelebt haben, können die Einwanderung ihrer Familienangehörigen beantragen. Künftig soll jährlich festgestellt werden, ob auf dem Arbeitsmarkt eine Nachfrage nach Arbeitskräften besteht, die nicht von Griechen bzw. bereits in Griechenland lebenden Ausländern befriedigt werden kann. Das Gesetz sieht unter anderem ein erleichtertes Verfahren zur Anwerbung temporärer Arbeitskräfte vor. Arbeitsgenehmigungen werden zunächst für die Dauer von einem Jahr erteilt, sie können jährlich verlängert werden. Nach sechs Jahren kann erstmals eine zweijährige, nach 10 Jahren eine dauerhafte Arbeitserlaubnis erteilt werden. Ferner beinhaltet das Gesetz schärfere Sanktionen gegen die Schleusung von illegalen Migranten.

Kritiker bemängelten, dass das neue Gesetz keinen bedeutenden Fortschritt darstelle. Fotini Tsalicoglou, Direktorin eines von der Regierung neu gegründeten Forschungsinsituts zu Fragen der Einwanderung und Integration, beklagte, dass der bürokratische Aufwand zu hoch sei. Das Gesetz stelle weiterhin zu hohe Anforderungen für einen legalen Aufenthaltsstatus und eine Einbürgerung.

Staatsangehörigkeit und Einbürgerung: Die griechische Staatsangehörigkeit basiert auf dem Abstammungsprinzip (ius sanguinis). Nur Kinder von griechischen Eltern erhalten die Staatsangehörigkeit per Geburt. Ausländer können die griechische Staatsangehörigkeit beantragen, es besteht jedoch keinerlei Rechtsanspruch auf Einbürgerung. Die wichtigste Voraussetzung für eine Einbürgerung ist ein insgesamt zehnjähriger Aufenthalt in Griechenland in einem Zeitraum von zwölf Jahren. Ferner muss der Bewerber nachweisen, dass er nicht vorbestraft ist. Die von den Antragsstellern zu entrichtende Gebühr für eine Einbürgerung beträgt 1.500 Euro. Die Entscheidungen über Einbürgerungen liegen im Ermessen der griechischen Behörden. Ablehnungen müssen nicht begründet werden. Die Einbürgerungsrate bzw. Zahl der Eingebürgerten in Griechenland ist im Vergleich zu anderen EU-Staaten relativ niedrig. 2001 betrug die Zahl der Eingebürgerten (ohne „Pontos-Griechen") 1.774, im Jahr 2002 waren es 2.141.

Neben dem Abstammungsprinzip beinhaltet das griechische Staatsangehörigkeitsgesetz auch Elemente des Territorialprinzips (ius soli). So können in Griechenland geborene Kinder, die nicht automatisch die Staatsangehörigkeit ihrer ausländischen Eltern erhalten, unter Umständen einen griechischen Pass bekommen. Diese Maßnahme dient vor allem dazu, den internationalen Standards zur Vermeidung von Staatenlosigkeit zu genügen.

Flüchtlings- und Asylpolitik: Griechenland ist bestrebt, seine Flüchtlings- und Asylpolitik mit den Standards der EU und anderer Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Das Land hat sowohl die Genfer Flüchtlingskonvention, die Dubliner Konvention als auch das Schengener Abkommen unterzeichnet.

Dabei ist die Anerkennungsrate bei Asylanträgen im europäischen Vergleich mittlerweile eine der niedrigsten. Nach Daten des UNHCR betrug die Zahl der Asylanträge im Jahr 1999 1.530. Davon wurden 146 Anträge (9,5%) auf Grundlage der Genfer Konvention bewilligt, 407 Asylbewerber (26,6%) durften aus humanitären Gründen im Land bleiben. 2002 wurden von 5.664 Antragsstellern nur noch 36 auf Grundlage der Genfer Konvention (0,6%) und weiteren 64 Anträge (1,1%) aufgrund humanitärer Gründe Asyl gewährt.

Einwanderung ethnischer Griechen: Die Zuwanderung ethnischer Griechen setzte gegen Ende der 1980er Jahre ein und nahm vor allem zu Beginn der 1990er Jahre zu. Zwischen 1989 und 1999 lag die Zahl der aus Osteuropa eingewanderten ethnischen Griechen bei etwa 220.000. Dabei waren vor allem zwei Gruppen von Bedeutung: zum einen die so genannten „Pontosgriechen", die zuvor in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion bzw. in der Region um das Schwarze Meer lebten, und zum anderen ethnische Griechen aus Süd-Albanien. Dabei genießen „Pontosgriechen" einen privilegierten Status. Ähnlich wie Spätaussiedler in Deutschland haben sie unmittelbaren Zugang zur griechischen Staatsangehörigkeit und verschiedenen staatlichen Leistungen, die ihre Integration unter stützen sollen. Ethnische Griechen aus Albanien können diese nicht in Anspruch nehmen. Darin drückt sich nicht zuletzt das Interesse Griechenlands aus, die Anwesenheit einer griechischen Gemeinschaft in Albanien zu fördern.

Aktuelle Entwicklungen: Internationale Migration war ein zentrales Thema der EU-Präsidentschaft Griechenlands in der ersten Jahreshälfte 2003. Zu diesem Zweck hatte die griechische Regierung im Sommer 2002 die Athens Migration Policy Initiative (AMPI) ins Leben gerufen. Diese Initiative brachte führende Experten auf dem Gebiet der Migrationsforschung zusammen, die Griechenland während seiner Präsidentschaft mit fachlicher Expertise unterstützten.

Neben dem Umgang mit illegaler Migration besteht eine weitere Herausforderung für Griechenland nicht zuletzt darin, die Integration seiner zugewanderten Bevölkerung und der in Griechenland geborenen zweiten Generation zu gestalten. Phil Triadafilopoulos, New School for Social Research, New York; derzeit DAAD-Stipendiat an der Humboldt-Universität Berlin. (Übersetzung aus dem Englischen: vö)

Weitere Informationen:
www.migrationpolicy.org/AMPI
www.migrants.gr
www.unhcr.ch

In dieser Reihe bisher erschienen:
Japan (MuB 4/03), Polen (MuB 5/03), Frankreich (MuB 6/03), Italien (MuB 7/03) und Finnland (MuB 8/03).

Phil Triadafilopoulos

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