Länderprofil: Tschechien

28. März 2004

Seit den 1990er Jahren hat sich die Tschechische Republik von einem durch Auswanderung geprägten Land zum Einwanderungs- und Transitland gewandelt. Der tschechische Staat reagierte auf die sich radikal ändernde Situation, indem er sich zunächst auf einzelne Probleme konzentrierte, vor allem auf die illegale Migration. In den letzten Jahren wird aber das Bemühen um eine umfassendere und kohärentere Migrations- und Integrationspolitik deutlich.

Migrationsentwicklung seit 1993: Während der Ausländeranteil im Jahr 1993 noch bei 0,5% lag, beträgt er inzwischen 2,3% (2003). Mehr als ein Viertel der Ausländer stammt aus der Slowakei; weitere wichtige Herkunftsländer sind die Ukraine, Vietnam, Polen und Russland.

Seit der Spaltung der Tschechoslowakei in zwei unabhängige Staaten im Jahr 1993 genießen Slowaken in Tschechien einen privilegierten Status gegenüber anderen Ausländern. In einem einfachen Verfahren können sie gebührenfrei eine einjährige Aufenthaltserlaubnis erhalten, die beliebig oft verlängert werden kann. Einzige Bedingung ist der Nachweis des Aufenthaltszwecks, beispielsweise ein Studien- oder Arbeitsplatz oder ein Gewerbeschein.

Arbeitsmigration ist der bei weitem wichtigste Aufenthaltsgrund von Ausländern in Tschechien. Von 160.000 befristeten Aufenthaltserlaubnissen waren Mitte 2003 85% Arbeitnehmern, selbstständigen Unternehmern und Geschäftsteilhabern erteilt worden.

Die Bedeutung der Arbeitsmigration wird in Zukunft noch zunehmen. Wie die meisten anderen europäischen Staaten ist auch Tschechien vom Problem sinkender Geburtenzahlen und damit einer rapide alternden Bevölkerung betroffen. Im statistischen Durchschnitt werden in Tschechien zurzeit nur 1,17 Kinder pro Frau geboren, das ist einer der niedrigsten Werte in Europa. Nach Projektionen der Vereinten Nationen wird die Bevölkerungszahl in Tschechien (2003: 10 Mio.) bis zum Jahr 2050 um 17% abnehmen, d.h. um 1,7 Mio. Menschen. Bereits 2030 könnten in der Tschechischen Republik ca. 420.000 Arbeitskräfte fehlen.

Familienzusammenführung ist der mit Abstand wichtigste Grund für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis: Fast 90% der insgesamt 78.000 Inhaber einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis hatten sie aus diesem Grund erhalten, davon mehr als ein Drittel für einen Familiennachzug zu Ausländern (bis Juni 2003). Das tschechische Recht sieht dafür keinerlei finanzielle Voraussetzungen oder Wartezeiten vor.

Asyl: Gegen Ende der 1990er Jahre stieg die Zahl der Asylbewerber in Tschechien sprunghaft an. Nachdem sich die Zahl der Asylanträge innerhalb von drei Jahren vervierfacht hatte (1997: 2.100; 2000: 8.800) verdoppelte sie sich im Jahr 2001 noch einmal auf 18.100. Dies war hauptsächlich auf einen extrem starken Anstieg der Antragszahlen einiger weniger Herkunftsländer zurückzuführen: Moldawien, Rumänien, Ukraine, Armenien, Georgien, Indien und Vietnam. Daraufhin wurde das Asylgesetz verschärft. Wesentlichste Neuerung war, dass Asylbewerber erst nach einem Jahr Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten.

Die Zahl der Asylanträge aus den genannten Ländern ging im Folgejahr drastisch zurück, insgesamt sank die Antragszahl 2002 wieder auf das Niveau von 2000. Im Jahr 2003 stieg die Zahl der Anträge allerdings wieder: Bis Ende 2003 wurden 11.390 Asylanträge registriert, das ist ein Drittel mehr als im Vorjahr (vgl. MuB 2/04). Hauptherkunftsländer sind Russland und die Ukraine.

173 Anträge auf Asyl wurden bis Mitte 2003 positiv beschieden, hauptsächlich von Antragstellern aus Russland (meist aus Tschetschenien), Afghanistan, Weißrussland, Armenien und Kasachstan.

Insgesamt wurden von 1993 bis Ende 2003 67.000 Asylanträge gestellt; etwa 2% der Antragsteller wurden als Flüchtlinge anerkannt. Für einen großen Teil der Asylbewerber ist Tschechien jedoch nur eine Durchgangsstation, ihr eigentliches Ziel sind die Staaten der Europäischen Union.

Illegale Migration: Insgesamt ist die Zahl der wegen illegalen Grenzübertritts festgenommenen Personen deutlich rückläufig. Dies ist v.a. auf langjährige Bemühungen in Vorbereitung auf den Schengen-Beitritt und die verstärkte Kooperation mit den Nachbarländern zurückzuführen. Waren es auf dem Höhepunkt im Jahr 1998 noch 44.700 Personen, die von der tschechischen Grenzpolizei oder der Grenzbehörde eines Nachbarlandes an der Grenze zu Tschechien festgenommen wurden, so betrug diese Zahl im Jahr 2002 nur noch 14.700 Personen. Dieser Trend setzte sich mit 13.206 Festnahmen auch 2003 fort. Gut zwei Drittel der Festgenommenen hatten versucht, illegal aus der Tschechischen Republik auszureisen. 84% der Festgenommenen waren ausländische Staatsbürger, die überwiegend versucht hatten, nach Deutschland oder Österreich zu gelangen, häufig zum wiederholten Male. Hauptherkunftsländer der ausländischen illegalen Migranten 2003 waren Russland (26%) und China (19%), mit großem Abstand gefolgt von Polen (7,1%).

Integration: Spezielle Integrationsprogramme gibt es für anerkannte Flüchtlinge sowie Immigranten tschechischer Herkunft - beide Gruppen sind jedoch zahlenmäßig sehr klein. Für alle Ausländer gilt: Der Zugang zu Bildung ist der gleiche wie für tschechische Staatsbürger. Sogar Kindern illegaler Einwanderer muss auf Wunsch der regelmäßige Schulbesuch ermöglicht werden. Ein Hochschulstudium ist kostenlos -man muss allerdings die tschechische Sprache beherrschen. Diese zu vermitteln sieht der tschechische Staat allerdings nicht als seine Aufgabe an.

Die staatliche Krankenversicherung steht nicht allen Einwanderern offen. So müssen sich beispielsweise Selbstständige und Kinder von Inhabern einer befristeten Aufenthaltserlaubnis privat versichern. Arbeitsmigranten mit niedrigem Einkommen können sich das häufig nicht leisten und haben daher keine Krankenversicherung.

Nur tschechische Staatsbürger haben das Wahlrecht. Mit Blick auf den EU-Beitritt gibt es jedoch bereits gesetzliche Regelungen, die die Beteiligung von Migranten mit unbefristetem Aufenthalt an Europawahlen, Kommunalwahlen und lokalen Volksabstimmungen zulassen, wenn es ein entsprechendes internationales Abkommen gibt (vgl. MuB 9/03).

Staatsbürgerschaft und Einbürgerung: Eine Einbürgerung ist erst nach 5jährigem Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis möglich. Diese wird jedoch, abgesehen von Fällen der Familienzusammenführung , normalerweise erst nach 10jährigem Aufenthalt mit befristeter Aufenthaltserlaubnis erteilt. Damit ergibt sich eine Wartezeit von 15 Jahren. Doppelte Staatsbürgerschaft wird erst ab einem Aufenthalt von 20 Jahren toleriert. Spezielle, großzügigere Regelungen für den Erwerb der tschechischen Staatsbürgerschaft sowie für doppelte Staatsbürgerschaft gelten für slowakische Staatsangehörige. Jana Hennig, Internationale Organisation für Migration (IOM), Berlin

Literaturhinweis:
Internationale Organisation für Migration (Hg.): Migration Trends in Selected EU Applicant Countries - Volume II - Czech Republic. IOM, Wien 2004. Download unter: www.iom.int

Weitere Informationen unter:
www.unhcr.ch
www.mvcr.cz
www.czso.cz
www.mpsv.cz
europa.eu.int/comm/enlargement/index.htm

Jana Hennig (IOM)

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