Wohl kaum ein anderer Staat wurde derart von Einwanderung geprägt wie die USA. Dementsprechend gelten die Vereinigten Staaten neben Kanada und Australien als eines der „klassischen" Einwanderungsländer. Bis Mitte der 1960er Jahre waren es in erster Linie Europäer, die in die USA kamen. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich der regionale Schwerpunkt der Herkunftsländer in Richtung Lateinamerika und Asien verschoben. Obgleich das Selbstverständnis der USA von Einwanderung geprägt ist, hat seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ein drastischer Wandel in der US-amerikanischen Einwanderungspolitik stattgefunden.
Einwanderung: In den USA wird zwischen drei Typen von Einwanderung unterschieden: Nicht-Einwanderer (non-immigrants), dauerhaft legal in den USA lebende Ausländer (legal permanent residents) und undokumentierte Einwanderer. Die Kategorie der Nicht-Einwanderer umfasst u.a. Touristen, Studenten sowie Personen, die im Rahmen von kulturellen oder wissenschaftlichen Austauschprogrammen in die USA gekommen sind. Ebenso zählen hochqualifizierte Arbeitskräfte der IT-Branche (z.B. H-1B Visa, vgl. MuB 2/00, 8/00, 4/01) zu dieser Kategorie. Zur zweiten Gruppe zählen Personen, die über Familienzusammenführung oder als Arbeitsmigranten in die USA eingewandert sind, sowie Flüchtlinge und anerkannte Asylbewerber.
Zahlen und Trends: Die Statistiken zur ausländischen Wohnbevölkerung in den USA umfassen diejenigen Personen, die im Ausland geboren sind (foreign born, siehe Tabelle). Unter den „foreign born" sind nicht nur legale Einwanderer. Seit den 1960er Jahren ist hier ein kontinuierliches Wachstum der Einwanderung in die USA zu verzeichnen. Die absolute Zahl der im Ausland geborenen Personen in den USA erreicht von Jahr zu Jahr neue Höchstmarken und lag im Jahr 2002 bei rund 32,5 Mio. Personen. Dies entspricht einem Anteil von etwa 11% der Gesamtbevölkerung (1890 und 1910: je 15%).
Mehr als die Hälfte der legalen Einwanderer stammt aus Lateinamerika, etwa ein Viertel aus Asien und 14% aus Europa (siehe Tabelle). Das bei weitem wichtigste Herkunftsland der Einwanderer in den USA ist Mexiko mit einem Anteil von fast 30% der legalen Einwanderer. Die kontinuierliche Einwanderung aus Lateinamerika hat dazu geführt, dass Hispano-Amerikaner (hispanics) mit einem Anteil von 12,5% inzwischen die größte ethnische Minderheit der USA sind (vgl. MuB 2/03).
Einwanderungspolitik: Nachdem sich in den letzten zwei Dekaden des 19. Jahrhunderts die Herkunftsstruktur der Einwanderer stark änderte, indem sowohl mehr Ost- und Südeuropäer als auch zunehmend mehr Einwanderer aus China, Japan und anderen asiatischen Staaten kamen, sollte eine 1924 eingeführte Quotenregelung die Einwanderung aus diesen Staaten reduzieren und die damalige Bevölkerungsstruktur stabilisieren. Für Bürger aus Staaten des amerikanischen Doppelkontinents galten die Quoten nicht, so dass in den folgenden Jahrzehnten vor allem die Einwanderung aus dem südlichen Nachbarland Mexiko stark anstieg. Das im Kontext der Arbeitskräfteknappheit während des Zweiten Weltkrieges gestartete „bracero"-Programm (1942-64) verstärkte diesen Trend. Aus dem temporären Programm für Gastarbeiter aus Mexiko wurde ein Grundstein für die enge Migrationsverflechtung zwischen Mexiko und den USA.
Das Quotensystem wurde erst 1965 vor dem Hintergrund der Bürgerrechtsbewegung abgeschafft und durch ein Präferenzsystem auf der Grundlage von Familienzusammenführung und beruflichen Qualifikationen mit Einwanderungsobergrenzen ersetzt. Seitdem ist auch eine weitere Verschiebung der Herkunftsstruktur von vornehmlich europäischer Zuwanderung hin zu verstärkter Einwanderung aus Lateinamerika und Asien zu verzeichnen. In den 1980er und 90er Jahren stellten Europäer nur noch 10% bzw. 15% der Einwanderer, Lateinamerikaner nahezu 50% und Asiaten etwa ein Drittel. Mit dem Immigration Act von 1990 wurden die Kategorien des Präferenzsystems nochmals verändert, um Qualifikation und Bildungsniveau der Einwanderer zu erhöhen.
Flucht und Asyl: Erst der Refugee Act von 1980 weitete den Flüchtlingsbegriff in den USA gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 aus. Jährlich setzen Präsident und Kongress flexible Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen fest, wobei diese nach Weltregionen unterteilt werden (Mub 8/02). Die Obergrenzen können zwar angesichts von Krisen ausgeweitet werden, wie dies zur Zeit des Kosovo-Konflikts der Fall war; im Allgemeinen werden die Obergrenzen jedoch nur selten erreicht. In den Jahren 2002 und 2003 lag die Obergrenze bei maximal 70.000 Flüchtlingen (2000: 90.000; 2001: 80.000). Im Asylbereich sollte durch eine Reform aus dem Jahr 1995 eine schnellere Bearbeitung der Asylanträge erreicht werden. Nach einem Höhepunkt Mitte der 1990er Jahre (1993-1995: je 143.000-149.000) ist die Zahl der jährlichen Asylanträge zunächst zurückgegangen (1999: 32.700), stieg jedoch 2001 wieder auf 59.400 Anträge an.
Illegale Migration und Grenzschutz: Bis in die 1960er Jahre kam es je nach Lage auf dem Arbeitsmarkt entweder zur Legalisierung von undokumentierten Migranten, z.B. durch das „bracero"-Programm, oder aber zu öffentlichkeitswirksamen Abschiebungsaktionen wie etwa die Operation Wetback (1954), in deren Verlauf etwa 1,3 Mio. Personen die USA verlassen mussten.
Die bedeutendste gesetzgeberische Maßnahme im Bereich der illegalen Migration war der Immigration Reform and Control Act von 1987 (IRCA), in dessen Rahmen etwa 2,7 Mio. vormals illegal anwesende Migranten einen legalen Aufenthaltsstatus erhielten. Parallel zur Legalisierung beinhaltete IRCA Sanktionen gegen die Beschäftigung von Undokumentierten.
Laut dem US Census Bureau sowie regierungsunabhängigen Quellen zufolge betrug die Zahl der illegalen Migranten im Jahr 2001 etwa 8 bis 9 Mio. Personen. Der jährliche Zuwachs liegt diversen Schätzungen zufolge bei etwa 500.000 Personen. Hauptherkunftsland undokumentierter Migranten ist Mexiko, gefolgt von Staaten Zentralamerikas.
Seit Mitte der 1990er Jahre startete die Grenzschutzpolizei US Border Patrol mehrere Programme zur Verstärkung der Grenzkontrollen. Durch eine stetige Aufstockung der personellen und technischen Ressourcen soll somit die illegale Zuwanderung reduziert werden. Bislang ist jedoch v.a. eine Verschiebung der Routen illegaler Migration in teilweise lebensgefährliche Berg- und Wüstenregionen zu beobachten (vgl. MuB 9/99).
Staatsbürgerschaft und Einbürgerung: Die amerikanische Staatsbürgerschaft basiert auf dem ius soli. Demnach haben alle Personen, die in den USA geboren werden, einen Anspruch auf die Staatsbürgerschaft. Außerdem kann die Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung erworben werden. Neben Kenntnissen der englischen Sprache, Grundwissen über die Geschichte und das politische System der Vereinigten Staaten, einem Eid auf die Verfassung und „gutem moralischen Charakter" ist ein legaler Aufenthalt in den USA Voraussetzung für den Erhalt der Staatsbürgerschaft. Die Länge des Mindestaufenthaltes ist abhängig von der Zuwanderungskategorie der Antragsteller; im Allgemeinen liegt sie jedoch bei fünf Jahren.
Bis 1995 stieg die Zahl der jährlichen Einbürgerungsanträge zunächst langsam, aber stetig an (1990: 270.100, 1995: 488.100). Infolge einer Gesetzesreform aus dem Jahr 1996, die Ausländer fortan von zahlreichen Sozialleistungen ausschloss, kam es im Jahr 1996 zu einem sprunghaften Anstieg auf über 1 Mio. Anträge (1998: 463.100: 2000: 888.800). 2002 lag die Zahl der Einbürgerungsanträge bei 573.700.
Besonderheiten und Ausblick: Die Terroranschläge vom 11. September 2001 haben zu einem Kurswechsel in der US-Einwanderungspolitik geführt. Diese ist im Zeichen der Terrorabwehr nun dem Ziel der „nationalen Sicherheit" untergeordnet. Nach langjähriger Debatte wurde die ehemalige Einwanderungsbehörde INS 2002 aufgelöst und in Form von zwei Sonderabteilungen dem Ministerium für Heimatschutz unterstellt (vgl. MuB 5/02). Vor allem jedoch wurden zahlreiche Maßnahmen zur Kontrolle der bereits im Land lebenden sowie der neu einreisenden Ausländer beschlossen, darunter eine Meldepflicht für Ausländer aus Staaten mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit (vgl. MuB 1/03, 3/03) und eine Verschärfung der Ein- und Ausreisekontrollen (vgl. MuB 2/04).
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen gerieten in den letzten Jahren die Verhandlungen um ein erneutes Legalisierungsprogramm für illegale Einwanderer sowie ein Gastarbeiterprogramm ins Stocken. Ein Anfang 2004 durch US-Präsident George W. Bush (Republikaner) vorgestellter Richtlinienentwurf für die Neuauflage solcher Programme scheint jedoch die Debatte wieder voranzutreiben (vgl. MuB 1/04). Die mexikanische Regierung hat bei bilateralen Treffen stets Fortschritte im Migrationsbereich eingefordert (vgl. MuB 7/00, 2/01, 3/02, 9/02).
Angesichts der wachsenden hispanischen Bevölkerungsgruppe und den im November 2004 anstehenden Präsidentschaftswahlen ist die Bush-Administration bemüht, Wählerstimmen der traditionell eher zu den Demokraten tendierenden Hispano-Amerikaner (vgl. MuB 6/00) zu gewinnen. sta
Weitere Informationen:
www.cbp.gov/xp/cgov/enforcement
uscis.gov
www.migrationinformation.org