Irland, Neuseeland: Reform des Staatsbürgerschaftsrechts

3. Juli 2004

In Irland geborene Kinder ausländischer Eltern erhalten zukünftig nicht mehr automatisch die irische Staatsbürgerschaft. Bei einem Referendum im Juni sprachen sich nahezu 80% der Wähler für eine entsprechende Reform des Staatsbürgerschaftsrechts aus. Ähnliche Entwicklungen vollziehen sich auch in Neuseeland.

Irland: Bislang war Irland der einzige EU-Staat, in dem die Staatsbürgerschaft automatisch per Geburt (ius soli) verliehen wurde, unabhängig von der Nationalität der Eltern. Das im europäischen Vergleich sehr liberale Staatsbürgerschaftsrecht basierte vor allem auf der Vergangenheit Irlands als Auswanderungsland. Aufgrund der äußerst geringen Zuwanderung war die Anzahl von Kindern ausländischer Eltern entsprechend gering. Seit den 1950er Jahren erhielten alle in Irland geborenen Kinder automatisch die irische Staatsbürgerschaft. Diese Regelung wurde 1998 als Teil des Belfaster Friedensabkommens in die Verfassung aufgenommen, um auch Nordiren den Erwerb der irischen Staatsbürgerschaft zu ermöglichen.

Durch das Referendum vom 11. Juni, das zeitgleich mit den Europa- und Kommunalwahlen abgehalten wurde, kam es zu einer deutlichen Abkehr vom bisherigen Staatsbürgerschaftsrecht. Bei einer Wahlbeteiligung von rund 60% stimmte eine überwältigende Mehrheit (79% ) für eine Änderung des in der Verfassung verankerten Territorialprinzips. Künftig gilt die Regelung, dass mindestens ein Elternteil bereits irischer Staatsbürger sein muss, um als Ire geboren zu werden. Wenn beide Eltern ausländische Staatsangehörige sind, so muss ein nicht-irisches Elternteil mindestens drei der letzten vier Jahre vor der Geburt des Kindes in Irland gelebt haben. Nur dann erhält das Kind die irische Staatsbürgerschaft bei Geburt. Die irischen Regierungsparteien Fianna Fail und Progressive Demokraten sowie die größte Oppositionspartei, Fine Gael, zeigten sich mit dem Ergebnis der Volksabstimmung zufrieden. Die Zustimmung zur Verfassungsänderung war größer als Umfragen zufolge erwartet. Die Befürworter einer Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts argumentierten im Vorfeld des Referendums, Irland hätte sich zum Ziel eines so genannten „Staatsbürgerschafts-Tourismus“ entwickelt. Hochschwangere Frauen würden kurz vor dem Geburtstermin nach Irland einreisen mit dem Ziel, durch ihre Kinder, die automatisch die irische Staatsbürgerschaft erhalten, ebenfalls ein EU-Aufenthaltsrecht zu erhalten.

Die Oppositionsparteien Labour Party, die Grünen und die republikanische Sinn Féin sowie zahlreiche Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler lehnten die Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts ab. Ihnen zufolge trug das Referendum zu einer Stärkung fremdenfeindlicher und rassistischer Tendenzen in der irischen Gesellschaft bei. „Der Vorschlag im Referendum legitimiert die Intoleranz, die in der irischen Gesellschaft seit einigen Jahren zum Vorschein tritt“, so Ivana Bacik von der Labour Party.

Die Debatte um eine Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts geht auf den Fall der in Belfast geborenen Catherine Chen zurück. Nordirland ist zwar britisches Staatsgebiet, laut der irischen Verfassung erstreckt sich das irische Staatsbürgerschaftsrecht aber auf die ganze Insel. Eine von der britischen Regierung verfügte Abschiebung von Chen und ihrer chinesischen Mutter konnte durch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof zunächst abgewendet werden. Der höchste Gerichtshof Irlands hingegen entschied im Januar 2003, dass ausländische Eltern von in Irland geborenen Kindern kein automatisches Aufenthaltsrecht in Anspruch nehmen können.

Von der Neuregelung betroffen sind ca. 11.000 Familien. Einige Familien, einschließlich der Kinder mit irischer Staatsangehörigkeit, wurden bereits abgeschoben. Allein in Dublin kamen im Jahr 2003 4.625 Babys ausländischer Eltern zur Welt. Die Mütter gehörten rund 100 verschiedenen Nationalitäten an, etwa ein Drittel stammt aus Nigeria.

Neuseeland: Auch in Neuseeland ist eine Debatte um eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts entbrannt. Alle in Neuseeland geborenen Kinder erhalten bislang automatisch die neuseeländische Staatsangehörigkeit. Premierministerin Helen Clark (Labour) kündigte Mitte Juni an, dass diese Praxis überprüft werden solle. Dem nationalen Einwanderungsbeauftragten Wayne Mapp (National Party) zufolge sei die Entbindung in Neuseeland eine Strategie zur Umgehung von Einwanderungskontrollen. Pro Jahr werden in Neuseeland rund 1.300 Kinder ausländischer Eltern geboren. Im Jahr 2003 lag die Gesamtzahl der Geburten in Neuseeland bei 56.130 Babys.

Nach Angaben des Innenministers George Hawkins (Labour) soll eine Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts erfolgen, die Frage des Geburtsrechts werde darin jedoch noch nicht behandelt. Im Juni wurde der Identity (Citizenship and Travel Documents) Bill in das Parlament eingebracht. Vorgesehen ist hier u.a. eine Erhöhung der erforderlichen Mindestaufenthaltsdauer bei Einbürgerungen. Statt bislang drei sind zukünftig fünf Jahre legaler Aufenthalt in Neuseeland notwendig, um eingebürgert werden zu können. Bei ausländischen Ehepartnern von neuseeländischen Staatsbürgern wird die Mindestaufenthaltsdauer von zwei auf ebenfalls fünf Jahre erhöht. sta

Weitere Informationen:
www.referendum.ie/home
www.ireland.com/focus/referendum2004
www.irishrefugeecouncil.ie/press04/pr21-5-04.html
www.dia.govt.nz/diawebsite.nsf/wpg_URL/Whats-new-Identity ...

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