Sachsen / Brandenburg: Wahlerfolge rechtsextremer Parteien

28. Oktober 2004

Nach den Wahlerfolgen von NPD und DVU in Sachsen und Brandenburg ist in Deutschland eine Debatte über die Ursachen des Stimmenzuwachses sowie um den Umgang mit rechtsextremen Parteien entbrannt.

Bei den Landtagswahlen vom 19. September erreichte die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) in Sachsen einen Stimmenanteil von 9,2% und zog mit 12 Abgeordneten – darunter fünf Mitglieder des NPD-Bundesvorstandes - in den sächsischen Landtag ein. Damit ist der NPD erstmals seit 1968 wieder der Einzug in ein Länderparlament gelungen. In Brandenburg gelang es der Deutschen Volksunion (DVU) bei der am Wahl, die am selben Tag stattfand, ihre Präsenz im Landtag aufrechtzuerhalten. Mit 6,1% der Stimmen konnten sie ihren Anteil an den Wählerstimmen gegenüber den Wahlen von 1999 sogar um 0,8% ausbauen (+12.800 Stimmen). Von der DVU ziehen 6 Abgeordnete in den Landtag ein.

Obwohl beide Parteien den Wahlkampf vorwiegend auf die Arbeitsmarktreformen (sog. Hartz-Reformen) ausgerichtet hatten, enthalten die Wahl- und Parteiprogramme beider Parteien dezidiert ausländerfeindliche und revisionistische Positionen. Auch bei Auftritten von Parteifunktionären wurden diese Positionen wiederholt deutlich. Ferner ist eine Tendenz zu einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen den rechtsextremen Parteien NPD und DVU sowie eine Vernetzung mit Neonazi-Gruppen zu verzeichnen.

Bereits im Frühjahr 2004 hatten die Parteivorsitzenden von NPD und DVU, Udo Voigt und Gerhard Frey, vereinbart, dass zu den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg jeweils nur eine der beiden Parteien antreten sollte, um so Stimmen aus dem rechtsextremen Wählerpotenzial zu bündeln. Nach ihren Wahlerfolgen vereinbarten die beiden Parteien, bei zukünftigen Wahlen - insbesondere der Bundestagswahl 2006 - als gemeinsame „nationale Liste“ anzutreten. Es ist fraglich, ob ein solcher Zusammenschluss möglich ist, da das Bundeswahlgesetz keine derartigen Listenverbindungen vorsieht. Entweder müsste jede einzelne der beiden Parteien die 5%-Hürde überspringen oder eine Partei muss zu Gunsten der anderen auf ihre Kandidatur bei der Wahl verzichten.

Kurz nach den Landtagswahlen appellierte der NPD-Bundesvorstand an rechtsextreme „Kameradschaften“ und Skinheadgruppen, die parlamentarische Arbeit der NPD im sächsischen Landtag im Sinne von „partnerschaftlicher Solidarität“ außerparlamentarisch zu unterstützen. Ein weiteres Indiz für die Vernetzung zwischen NPD und rechtsextremen Gruppen ist der Parteieintritt von führenden Köpfen der rechten Szene in die NPD. Auf dem NPD-Bundesparteitag Ende Oktober sollen die Neonazi-Kader Thomas Wulff (Hamburg/Schleswig-Holstein), Thorsten Heise (Thüringen, ehemals Niedersachsen) und Ralph Tegethoff (Rhein-Sieg) für den NPD-Bundesvorstand kandidieren. Die NPD versucht durch diese Schritte, zur führenden Kraft in der bislang zerstrittenen Szene aufzusteigen.

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) kritisierte die Einstellung des NPD-Verbotsverfahrens durch das Bundesverfassungsgericht. „Eine Partei mit deutlich ausländerfeindlicher und antisemitischer Propaganda kommt in die Parlamente. Das ist das Ergebnis einer sehr problematischen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts“, so Schily. Ein erneuter Verbotsantrag sei derzeit von der Bundesregierung nicht geplant, man setze auf eine geistig-politische Auseinandersetzung.

Der Verfassungsschutz rechnet derweil mit einem Mitgliederzuwachs der NPD. Bis Ende 2003 war bei der NPD ein Rückgang der Mitgliedszahlen zu verzeichnen (vgl. MuB 4/04). Bei den rechtsextremen „Kameradschaften“ hingegen wurde ein starker Zulauf festgestellt. Nach dem Wahlerfolg und angesichts der Tendenzen zur verstärkten Vernetzung ist ein erneuter Mitgliederzuwachs bei der NPD zu befürchten. Derzeit zählt die NPD bundesweit etwa 5.000 Mitglieder, davon rund 800 in Sachsen.

Der parlamentarische Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Beck, plädierte für eine differenzierte Auseinandersetzung mit den rechtsextremen Parteien DVU und NPD. Im Gegensatz zur DVU habe die NPD ihren Wahlerfolg lange vorbereitet und sei bereits in Teilen der Jugendszene fest verankert. Zum Einfluss der Rechtsextremen in der Jugendszene äußerte sich auch der Berliner Integrationsbeauftragte Günter Piening (Bündnis 90/Die Grünen): „Es gibt eine Kontinuität rechtsextremen Denkens und eine erschreckende Akzeptanz rechten Gedankenguts, insbesondere unter Jugendlichen.“ Daher sei es ein besonders schwerer Fehler, dass Programme gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, wie Xenos, Civitas und Entimon, voraussichtlich ab 2006 kein Geld mehr vom Bund erhalten werden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte sich mehrfach für die Kürzung von Haushaltsmitteln im Bildungsbereich eingesetzt.

Das Erstarken rechtsextremer und ausländerfeindlicher Strömungen in Sachsen und Brandenburg ist kein Einzelfall. Auch in anderen Bundesländern sind ähnliche Tendenzen zu beobachten. Anetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung sagte: „Erschreckend ist vor allem, wie selbstverständlich Rechtsextreme im Alltag präsent sind.” sta

Weitere Informationen:
www.bpb.de/themen/M6RM34,0,0,Rechtsextremismus.html
www.netzgegenrechts.de
www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder/af_rechtsextremismus
www.ag-netzwerke.de/content/links/links_main.htm

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