Mit einem neuen Einwanderungsgesetz will die französische Regierung den Familiennachzug weiter begrenzen (vgl. MuB 6/06, 6/05, 4/03). Besonders umstritten ist die Einführung von Gentests zur Überprüfung des Verwandtschaftsverhältnisses. Der Zuzug von Arbeitskräften soll hingegen ausgeweitet werden.
Einwanderungsmuseum eröffnet
Am 10. Oktober ist in Paris das Nationale Museum der Geschichte der Einwanderung (Cité nationale de l‘histoire de l‘immigration, CNHI) nach langjährigen Vorbereitungen eröffnet worden. In einer Dauerausstellung wird die Geschichte der Einwanderung nach Frankreich dargestellt. Zur Eröffnung kamen weder Staatspräsident Nicolas Sarkozy (UMP) noch Einwanderungsminister Brice Hortefeux (UMP) oder andere hohe Regierungsvertreter, was auf scharfe Kritik stieß. Die Verknüpfung der Themen Einwanderung und nationale Identität durch die Regierung Sarkozy ist umstritten. Einige prominente Wissenschaftler waren bereits nach der Gründung des Ministeriums für Einwanderung und nationale Identität aus Protest von ihren Funktionen im wissenschaftlichen Beirat des Museums zurückgetreten.
www.histoire-immigration.fr
Bereits im Präsidentschaftswahlkampf im Frühjahr 2007 hatte Nicolas Sarkozy (UMP) eine Umgestaltung der französischen Einwanderungsgesetze entsprechend seiner Vorstellung einer „ausgewählten Zuwanderung“ angekündigt (vgl. MuB 4/07). Nach seinem Wahlsieg beauftragte Sarkozy den Leiter des neu gegründeten Ministeriums für Einwanderung, Integration, nationale Identität und Entwicklungszusammenarbeit Brice Hortefeux (UMP) mit der Ausarbeitung konkreter Maßnahmen. Die französische Nationalversammlung und der Senat stimmten Ende September und Anfang Oktober in einer ersten Lesung für den von Hortefeux vorgelegten Gesetzentwurf. In beiden Kammern wurde das Gesetzesvorhaben mit den Stimmen der konservativen Mehrheit angenommen. Die Oppositionsparteien stimmten dagegen. Da der Senat an der Fassung der Nationalversammlung einige Passagen modifizierte, musste ein paritätisch besetzter Vermittlungsausschuss eine Einigung erzielen. Am 23. Oktober müssen beide Kammern erneut über das Vorhaben abstimmen.
Familiennachzug: Mit dem neuen Gesetz wird die Zuwanderung nachziehender Familienangehöriger erschwert. So müssen sie künftig noch vor der Einreise nach Frankreich ihre Sprachkenntnisse und ihr Wissen über republikanische Werte in einem Test dokumentieren. Dies kritisierten Vertreter der Opposition. Die Tests und die Vorbereitungskurse könnten nur in den Hauptstädten der Herkunftsländer absolviert werden und dies sei ein Hindernis für Familienangehörige insbesondere in entlegenen Gebieten oder Kriegsregionen.
Hauptstreitpunkt ist jedoch die geplante Einführung von Gentests zur Überprüfung des Verwandtschaftsverhältnisses. Dieser Vorschlag wurde erst von der Nationalversammlung in den Gesetzestext aufgenommen. Zur Begründung führte der UMP-Abgeordnete Thierry Mariani an, dass die Dokumente zur Feststellung von Identität und Verwandtschaft, z. B. Geburtsurkunden, in einigen afrikanischen Ländern oft gefälscht seien und die Überprüfung der Echtheit mehrere Monate dauere. Ein DNA-Test sei schneller und sicherer. Die Teilnahme an dem Testverfahren, das probeweise bis Ende 2010 eingeführt werden soll, wäre zunächst freiwillig. Die Sozialisten kritisierten den Gentest. Dadurch würde ein Familienmodell suggeriert, das ausschließlich auf Blutsverwandtschaft beruhe. Die französische Definition von Familie basiere jedoch auf dem Prinzip der Anerkennung, sagte der Abgeordnete Bruno Leroux (PS). Gegen die DNA-Tests hat sich inzwischen ein breites gesellschaftliches Bündnis zusammengeschlossen. Etwa 200.000 Personen aus allen Bereichen der Gesellschaft unterzeichneten die Petition „Touche pas à mon ADN“ (dt.: „Finger weg von meiner DNA“), unter ihnen auch der ehemalige konservative Ministerpräsident Dominique de Villepin (UMP). Die Oppositionsparteien kündigten eine Klage vor dem Verfassungsgericht an.
Asylpolitik: Mit dem neuen Gesetz erhalten Asylbewerber, die an der Grenze bzw. auf Flughäfen ein Eilverfahren durchlaufen, im Falle einer Ablehnung ein Einspruchsrecht mit aufschiebender Wirkung. Dies war durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nötig geworden. Bisher konnte im Asylverfahren an der Grenze zwar Einspruch erhoben werden, jedoch konnten die Behörden Asylbewerber noch vor Bearbeitung des Einspruchs in ihr Herkunftsland abschieben.
Erhebung von Daten: Ein weiterer Streitpunkt ist die Erhebung von Daten über die Herkunft von Zuwanderern, die der Gesetzentwurf erstmals ermöglicht. Die Regierung argumentiert, diese Daten würden dabei helfen, Diskriminierung besser zu erfassen und somit effektiver zu bekämpfen. Wissenschaftler befürchten dagegen eine mögliche Instrumentalisierung dieser Daten durch Regierungsinstitutionen, z. B. im Bereich der Kriminalität von Zuwanderern.
Zuwanderung von Arbeitskräften: In dem Anfang Juli veröffentlichten Antrittsschreiben an Einwanderungsminister Brice Hortefeux hatte der Präsident gefordert, dass künftig die Hälfte aller Zuwanderer nach wirtschaftlichen Kriterien ausgewählt und somit erstmals konkrete Zahlen fixiert werden. Der aktuelle Gesetzentwurf enthält jedoch noch keine Regelungen zur Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Sarkozy hatte in den vergangenen Wochen wiederholt die Idee geäußert, jährliche Zuwanderungskontingente einzuführen. Diese sollen vom Parlament sowohl nach Arbeitsmarktsegment als auch nach Herkunftsregion festgesetzt werden.
Für die Einführung von Einwanderungsquoten, die in Frankreich von vielen als diskriminierend angesehen werden, müsste die Verfassung geändert werden. Sarkozy kündigte an, die nötigen Schritte dafür zu prüfen. Migrationsexperten wie Patrick Weil zweifeln seit Jahren die Funktionalität von Quoten an. Auch der Chef der oppositionellen Parti Socialiste (PS) François Hollande erklärte sich diesbezüglich skeptisch. Er sei zwar bereit, über die Idee eines Quotensystems nachzudenken, jedoch müsse dies in Abstimmung mit den Herkunftsländern geschehen. Gleichzeitig kritisierte Hollande Sarkozys Politik der fortlaufenden Reform der Zuwanderungspolitik. Das aktuelle Gesetz sei bereits das vierte in vier Jahren und ein weiteres sei in Arbeit.
Weitere Informationen:
www.premier-ministre.gouv.fr/iminidco
www.senat.fr/dossierleg/pjl06-461.html
www.assemblee-nationale.fr/13/dossiers/immigration_integration_asile.asp
www.touchepasamonadn.com