Deutschland: Bericht zur Gesundheitsversorgung von undokumentierten Migranten

12. Dezember 2007

Ausländer ohne Pass bzw. rechtmäßigen Aufenthaltstitel haben zwar einen Rechtsanspruch auf medizinische Hilfe, nehmen diesen in den meisten Fällen jedoch nicht oder erst sehr spät wahr. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktueller Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte, der sich der Gesundheitsversorgung von undokumentierten Ausländern in Deutschland widmet.

Eine Arbeitsgruppe des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIM) und des Katholischen Forums „Leben in der Illegalität“ hat die Gesundheitsversorgung von Ausländern in Deutschland untersucht, die weder Aufenthaltstitel noch Duldung besitzen. Diese Menschen werden auch als undokumentierte Migranten oder Papierlose bezeichnet (vgl. MuB 10/06). Belastbare Daten über die Anzahl dieser Personen in der Bundesrepublik liegen nicht vor. Weder die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beauftragte Forschungsstudie „Illegal aufhältige Drittstaatsangehörige in Deutschland“ aus dem Jahr 2005 noch der Bericht des Bundesinnenministeriums (BMI) „Illegal aufhältige Migranten in Deutschland – Datenlage, Rechtslage, Handlungsoptionen" vom Februar 2007 können konkrete Zahlen benennen. Schätzungen liegen zwischen 100.000 und 1 Mio. undokumentierter Ausländer in Deutschland. Aus dem im November veröffentlichten Bericht „Frauen, Männer und Kinder ohne Papiere in Deutschland – Ihr Recht auf Gesundheit“ geht hervor, dass Papierlose in Deutschland überwiegend gar keine medizinische Hilfe in Anspruch nehmen bzw. erst, wenn eine Erkrankung weit fortgeschritten ist.

Das Recht auf „Zugang zur gesellschaftlichen Infrastruktur der Gesundheitsversorgung“ ist in verschiedenen internationalen Abkommen wie dem UN-Sozialpakt oder der Europäischen Sozialcharta verankert. In Deutschland wird dieser Rechtsanspruch im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG, §§ 4, 6) geregelt. Demzufolge haben Menschen ohne Papiere bei akuten Erkrankungen, Schmerzzuständen, während der Schwangerschaft, bei Impfungen und im begrenzten Umfang in der Bereitstellung von Heil- und Hilfsmitteln einen Anspruch auf medizinische Dienstleistungen. Die Kostenerstattung einer Behandlung erfolgt über die zuständigen Sozialämter. Hierzu beziehen die Sozialämter die personenbezogenen Daten von Krankenhäusern und Arztpraxen und damit auch Informationen über den Aufenthaltsstatus einer Person. Das Sozialamt ist gemäß Aufenthaltsgesetz (AufenthG, §§ 87, 88) verpflichtet, diese Daten an die Ausländerbehörde weiterzuleiten, sofern es Kenntnis vom illegalen Aufenthalt einer Person hat (sog. Übermittlungspflicht). Die Inanspruchnahme medizinischer Hilfe kann dadurch die Aufdeckung eines nicht legalen Aufenthalts nach sich ziehen und zu einer Ausweisung führen.

Diese Aufdeckungsgefahr ist der Hauptgrund, weshalb Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung ihr Recht auf medizinische Versorgung oft nicht in Anspruch nehmen. Einige anonymisierte Fallbeispiele in dem Bericht zeigen, dass die derzeitige Situation die Krankheitsverläufe bei betroffenen Personen erheblich verschlimmert.

Verschiedene nicht-staatliche Netzwerke versuchen inzwischen, den Betroffenen eine medizinische Grundversorgung anzubieten – ohne Gefahr der Aufdeckung ihres Status. Der Bericht nennt exemplarisch die medizinische Flüchtlingshilfe und medizinische Vermittlungs- und Beratungsstellen für Flüchtlinge (sog. Medinetze) sowie die Beratungsstellen der MalteserMigrantenMedizin. Diese seien jedoch unterfinanziert und könnten nur einen Bruchteil der Zielgruppe mit ihren Angeboten erreichen. Sie könnten daher keine „dauerhaft gesicherte und medizinisch hinreichende Versorgungsstruktur“ darstellen. Aus diesem Grund müssten neue und verbesserte Ansätze zur medizinischen Versorgung von Menschen ohne Aufenthaltspapiere entworfen werden.

Die Arbeitsgruppe empfiehlt die Einrichtung eines Bundesfonds für nicht versicherte Personen und den Zugang zur privaten Krankenversicherung. „Die Versicherung innerhalb einer privaten Krankenversicherung wäre gegenüber der gesetzlichen deshalb von Bedeutung, weil die Gesetzliche Krankenversicherung als Körperschaft des öffentlichen Rechts den behördlichen Übermittlungspflichten unterliegt“, so der Bericht. Auch schlägt die Arbeitsgruppe vor, Ausländern ohne rechtmäßigen Aufenthaltsstatus Krankenscheine durch unabhängige Beratungsstellen zu vermitteln. Dies könne jedoch keine Alternative zu einer grundlegenden Neuregelung der Meldepflichten gemäß AufenthG darstellen. Die Übermittlungspflicht der Behörden stelle das grundlegende Hindernis zur medizinischen Versorgung dar und müsse daher soweit eingeschränkt werden, wie dies für die Wahrnehmung des Anspruchs auf medizinische Versorgung notwendig sei. „Für die Wahrnehmung der verbrieften sozialen Menschenrechte darf der Aufenthaltsstatus nicht ausschlaggebend sein.“, sagte Institutsdirektor Heiner Bielefeldt:

Weitere Informationen:
www.institut-fuer-menschenrechte.de (Studie des DIM)
www.emhosting.de/kunden/fluechtlingsrat-nrw.de/system/upload/download_1232.pdf (BMI-Bericht: Illegal aufhältige Drittstaatsangehörige in Deutschland)
www.bamf.de/cln_011/nn_441298/SharedDocs/Anlagen/DE/Migration/Publikationen/Forschung/Forschungsberichte/fb2-illegale-drittstaatsangehoerige.html (BAMF-Studie: Illegal aufhältige Migranten in Deutschland)
www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2007/10/ru120.pdf (Ellen Schmitt: „Gesundheitsversorgung und Versorgungsbedarf von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus“)

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