Studie: Auswanderungsmotive von Fach- und Führungskräften

19. September 2008

Hohe Steuern, zu niedrige Gehälter und schlechte berufliche Entwicklungsmöglichkeiten – das sind die häufigsten Gründe für deutsche Fach- und Führungskräfte auszuwandern. Trotzdem erwägt über die Hälfte von ihnen eine Rückkehr nach Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Prognos-Instituts.

Soziodemografische Merkmale: Befragt wurden 1.410 deutsche Fach- und Führungskräfte, die zum Zeitpunkt der Online-Umfrage im Sommer 2007 seit durchschnittlich sechs Jahren im Ausland lebten. Sie wurden u. a. über Internetforen und Organisationen im Ausland auf die Online-Befragung aufmerksam gemacht. Da keine gesicherten Informationen vorliegen, wie groß die Gruppe der tatsächlich ausgewanderten Fach- und Führungskräfte ist und wie sie sich zusammensetzt, kann nach Angaben von Prognos nicht von Repräsentativität gesprochen werden, aber von einer „breit gestreuten Stichprobe“, was Tätigkeiten, Bildungsabschlüsse und Auswanderungsländer angeht.

Die Befragten waren zwischen 30 und 40 Jahre alt (48 %), überwiegend männlich (63 %), verheiratet (50 %) und kinderlos (59 %). 83 % von ihnen hatten einen akademischen Abschluss, davon 29 % einen Doktor- bzw. Professoren-Titel. Weitere 12 % waren Facharbeiter. Vor der Ausreise aus Deutschland waren 41 % als Fachkraft tätig, 26 % in Führungspositionen, 29 % machten dazu keine Angaben. Knapp 20 % arbeiteten in Wissenschaft und Forschung, gefolgt von den Branchen unternehmensnahe Dienstleistungen (17 %), Industrie (10 %) sowie Banken, Handel und Recht (9 %). Etwa 21 % der Befragten kamen aus den besonders stark vom Fachkräftemangel betroffenen Berufsgruppen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.

Auswanderungsmotive: „Die Attraktivität beruflicher Möglichkeiten im Ausland stellt das Hauptmotiv für die Auswanderung von Fach- und Führungskräften aus Wirtschaft und Wissenschaft dar“, heißt es in der Studie. 53 % der Befragten bezeichneten die Einkommens- und Beschäftigungssituation in Deutschland als unbefriedigend. 68 % erwarteten bessere Berufs- und Einkommensperspektiven in ihrem Zielland sowie mehr Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung (40 %), eine höhere Lebensqualität (40 %) und eine materielle Besserstellung (27 %). Gründe, die den Weggang begünstigten, waren vor allem zu hohe Abgaben und Steuern (38 %), zu viel Bürokratie (31 %) und fehlende gesellschaftliche Toleranz und Gestaltungsfreiheit in Deutschland (25 %).

Die Gewichtung der genannten Auswanderungsmotive nach ihrer Bedeutsamkeit zeigt allerdings, dass häufig geäußerte Motive nicht ausschlaggebend für die Auswanderungsentscheidung sein müssen. Dies betrifft zum Beispiel die Bürokratie-Kritik, die zwar oft genannt wurde, im Vergleich zu anderen Faktoren aber keinen hohen Stellenwert für die Befragten hatte. Demnach spielte das Motiv „Verbesserung meiner Beziehungen zu Familie und Freunden“ eine weitaus wichtigere Rolle für die Befragten. Dieses Motiv, das nach Angaben von Prognos insbesondere Auswanderer betrifft, die in binationalen Partnerschaften leben und die der Familie des Partners näher sein wollen, steht in der gewichteten Darstellung an zweiter Stelle (27 %) nach der ungünstigen beruflichen Situation in Deutschland (30 %).

Rückkehrbereitschaft: Für die Mehrheit der Auswanderer (53 %) ist ein Umzug zurück nach Deutschland nicht ausgeschlossen: 46 % geben an, sich dies in absehbarer Zeit vorstellen zu können, 7 % haben schon konkrete Pläne. Die Rückkehrbereitschaft ist bei Wissenschaftlern besonders stark ausgeprägt (67 %). Solange aber Lebensstandard und Einkommen im Ausland höher seien, fehle Fach- und Führungskräften dazu der Anreiz, heißt es in der Studie. Erst wenn familiäre Gründe ins Spiel kommen, werde eine Rückkehr nach Deutschland wahrscheinlicher.

Wirtschaftspolitische Empfehlungen: Die Autoren der Studie schlagen eine geringere Einkommensteuerlast vor, um Fach- und Führungskräfte aus der Wirtschaft an Deutschland zu binden, außerdem bessere Einkommens- und Berufsaussichten für Wissenschaftler. Das Bundeswirtschaftsministerium nahm die Ergebnisse der Studie zum Anlass, um für Steuersenkungen zu werben. Vor allem die so genannte kalte Progression, also die trotz gleich bleibendem Realeinkommen wachsende Steuerlast, müsse korrigiert werden. Außerdem sollten Wissenschaftler „leistungsgerechter“ bezahlt werden.

Weitere Informationen:
www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Service/ publikationen,did=254802.html
www.prognos.com

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