Mexiko ist sowohl von Zuwanderung und Transmigration – vor allem von Mittelamerika ausgehend in die USA – betroffen, als auch von Abwanderung, zumeist in die USA. Während des vergangenen Jahrhunderts war die Abwanderung am stärksten, dennoch haben alle drei Migrationsformen Spuren hinterlassen.
Die Wanderungsbewegungen von Mexiko in die USA bilden einen enorm großen Strom von Arbeitsmigranten. Mexiko teilt mit den USA eine 3.200 km lange Grenze. Eine derartig lange Grenzlinie lässt sich kaum durchgehend kontrollieren und bietet somit zahlreiche Schlupflöcher, die eine massive mexikanische Migration begünstigen. Nur wenige Migranten stammen jedoch aus der Grenzregion.
Militärische und wirtschaftliche Interventionen sowie direkte Anwerbungen von Seiten der USA, aber auch Unruhen in Mexiko waren in der Vergangenheit auslösende Faktoren für die Abwanderung in die USA. Die meisten Mexikaner in den USA sind während des 20. Jahrhunderts eingewandert bzw. stammen von Zugewanderten aus diesem Zeitraum ab.
Zuwanderung: Im Jahr 2000 gab es in Mexiko 493.000 im Ausland geborene Einwohner. Die größten Gruppen stellen hierbei in den USA geborene Nachkommen von mexikanischen Auswanderern sowie US-amerikanische und kanadische Rentner. Diese Gruppen machen 63,2 % der im Ausland Geborenen aus, die älter als fünf Jahre sind, gefolgt von Europäern (11,9 %), Mittelamerikanern (11,2 %), Südamerikanern (7,3 %), Asiaten (2,9 %) und anderen (1 %). Die Hälfte der im Ausland Geborenen verteilt sich auf gerade einmal fünf Bundesstaaten: Baja California, Jalisco, Chihuahua, Méxiko und den Bundesdistrikt der Hauptstadt Mexiko-Stadt. Die Zuwanderer sind in der Regel gut ausgebildet, nahezu zwei Drittel verfügen über einen Highschool- oder höheren Abschluss, im Vergleich zu gerade einmal einem Fünftel der gesamten mexikanischen Bevölkerung.
Flüchtlinge: Politische Flüchtlinge haben zu verschiedenen Zeiten einen erheblichen Teil der Zuwanderer in Mexiko ausgemacht. Die Regierung unter Präsident Lázaro Cárdenas (1934-1940) nahm 40.000 republikanische Exilanten auf, die vor dem spanischen Bürgerkrieg geflohen waren. Trotz ihrer geringen Zahl übten die Nachkommen dieser Zuwanderer sowie Flüchtlinge aus den Kriegen im südlichen Südamerika in den 1970er Jahren überproportionalen Einfluss auf das intellektuelle, kulturelle und berufliche Leben aus.
In den 1980er Jahren begannen Flüchtlinge aus Mittelamerika in großer Zahl über Mexiko in die USA zu ziehen. Ungefähr 80.000 Guatemalteken suchten während des Bürgerkriegs Zuflucht in Mexiko, viele von ihnen wurden in Camps des UN-Flüchtlingshilfswerks aufgefangen. Rund drei Viertel dieser Flüchtlinge kehrten nach dem Friedensabkommen 1996 nach Guatemala zurück, die Verbliebenen erhielten die Möglichkeit zur Einbürgerung in Mexiko.
Transmigration: Mexiko ist für die irreguläre Migration in die USA ein wichtiges Transitland. Es teilt mehr als eintausend Kilometer Grenze mit Guatemala und Belize, von der große Abschnitte in zerklüftetem oder bewaldetem Gebiet in den ärmsten Regionen Mexikos liegen. Bahnlinien, die nach Norden führen, sind häufig genutzte, aber auch gefährliche Routen illegaler Migration, umso mehr seit kriminelle Banden systematisch Jagd auf Migranten machen. Seit den 1990er Jahren haben die mexikanischen Behörden ihre Präsenz im Grenzgebiet entlang der Route verstärkt, wenn auch die Grenze an sich weitgehend unbewacht bleibt. 1990 wurden 125.000 Migranten abgewiesen oder abgeschoben; bis 2005 stieg diese Zahl auf 250.000. Die wichtigsten Herkunftsländer dieser Transitmigranten sind Guatemala, Honduras und El Salvador.
Trotz dieser Hindernisse schaffen es zahlreiche Migranten, Mexiko von Süden nach Norden zu durchqueren, vor allem mit Hilfe der in mexikanischen Exekutivbehörden weit verbreiteten Korruption.
Im Jahr 2005 waren ungefähr 14 % der vom US-Grenzschutz Festgenommenen keine Mexikaner. Die meisten Festnahmen gab es an der mexikanischen Grenze. Kleinere Gruppen aus China und Ecuador wurden bei dem Versuch abgefangen, Mexiko auf dem Seeweg zu erreichen, um dann über das Festland die Grenze zu den USA zu überqueren. Es liegen jedoch keine verlässlichen Zahlen für diese Form der Zuwanderung vor.
Auswanderung: Eines der ungewöhnlichsten Merkmale der mexikanischen Migration ist die Konzentration von 98 % der Auswanderer an einem Zielort – den USA. Kontakt zum nördlichen Nachbarn besteht in sehr hohem Ausmaß: Ein Viertel der mexikanischen Erwachsenen hat die USA besucht oder dort gelebt, 60 % haben Verwandte in den USA. Rund 11 Mio. Mexikaner – etwa 11 % der mexikanischen Bevölkerung – lebten 2005 in den USA. Jedes Jahr werden es schätzungsweise 400.000 mehr.
Mexikaner stellen die bei weitem größte nationale Gruppe unter den Zuwanderern in den USA. In Mexiko Geborene machten 2002 30 % der im Ausland geborenen US-Bevölkerung aus, und sie stellten 21 % der regulär und geschätzte 57 % der irregulär Zugewanderten. Mittlerweile leben einschließlich der in den USA geborenen Nachfahren mexikanischer Zuwanderer insgesamt 25 Mio. Menschen mexikanischer Abstammung in den USA – das entspricht 8,7 % der US-Bevölkerung.
Irreguläre Migration: Mit den Kontrollstrategien „Operation Hold the Line“ 1993 in El Paso, Texas und „Operation Gatekeeper“ 1994 in San Diego wurden Personal und Infrastruktur des US-Grenzschutzes entlang der Grenze massiv ausgebaut. Das Budget des US-Grenzschutzes wurde von 1993 bis 2006 um 600 % erhöht und die Zahl der Grenzpolizisten stieg im selben Zeitraum von 4.000 auf 12.350. In einer Phase einhelliger Befürwortung des Ausbaus von Sicherheitsmaßnahmen durch die Kongressabgeordneten beider Parteien in den USA sind neue Grenzzäune und ausgeklügelte Überwachungssysteme errichtet worden. Auch eine freiwillige Bürgerwehr, die minutemen, begann 2005 unter großer medialer Beachtung, kleinere Grenzabschnitte zu überwachen und illegale Grenzübertritte beim Grenzschutz anzuzeigen – ein symbolischer Akt gegen illegale Zuwanderung.
Es gibt jedoch deutliche Anhaltspunkte, dass durch den verstärkten Grenzschutz irreguläre Einwanderer nicht abgeschreckt werden, die Maßnahmen aber eine Reihe unbeabsichtigter Konsequenzen ausgelöst haben. So sind die Gelder, die Migranten an Schlepper (coyotes) zahlen müssen, von einigen hundert Dollar auf ca. 2.500 Dollar gestiegen. Denn der Grenzschmuggel wird mittlerweile von verzweigten Netzwerken auf beiden Seiten der Grenze betrieben, die Unterschlupfmöglichkeiten unterhalten und mit Hilfe von Tunneln, gefälschten Papieren und anderen kostspieligen Mitteln ihre Kunden über die Grenze bringen. Die Durchsetzung konzentrierter Sicherheitsmaßnahmen in städtischen Gebieten hat indirekt dazu geführt, dass durchschnittlich eine Person pro Tag bei dem Versuch ums Leben kommt, die Grenze illegal zu überqueren. Um die Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen, versuchen Migranten die Grenze in der Wildnis, durch Flüsse und Kanäle zu überqueren, womit ein erhöhtes Risiko verbunden ist, zu ertrinken oder an Erschöpfung und Hitze zu sterben.
Nach Schätzungen des US-Ministeriums für Heimatschutz ist die Zahl nicht registrierter mexikanischer Zuwanderer zwischen 2000 und 2006 von 4,7 auf 6,6 Mio. gestiegen.
Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen: Demografen der mexikanischen Regierung rechnen mit einem nachlassenden Auswanderungsdruck, da in den nächsten Jahren weniger junge Menschen auf den Arbeitsmarkt strömen werden. Das Bevölkerungswachstum ist zwischen 1965 und 2006 dramatisch von 3,5 % auf 0,89 % pro Jahr gesunken. Mexikanische Frauen bekommen deutlich weniger Kinder, die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau ist von 7,2 im Jahr 1960 auf 2,3 im Jahr 2003 gefallen.
Vor dem Hintergrund eines großen Lohngefälles, das wahrscheinlich auch weiterhin bestehen wird, und der tiefen Verwurzelung von Zuwanderernetzwerken dürfte die demografische Entwicklung allein jedoch kaum zu einem Rückgang der Abwanderung führen. David Fitzgerald, Direktor für Feldforschung am Zentrum für Vergleichende Immigrationsstudien der University of California, San Diego.
Die 7-seitige Langfassung dieses Länderprofils mit umfangreichem Datenmaterial ist in Deutsch und Englisch hier abrufbar: www.focus-migration.de und www.migration-info.de
In der Rubrik Länderprofile sind bei focus Migration in dieser Reihenfolge bereits erschienen: Deutschland, Frankreich, Polen, USA, Türkei, Spanien, Litauen, Kanada, Rumänien, Senegal, Niederlande, Vereinigtes Königreich und Israel.