Schöne neue Welt des Schrumpfens: Auf dem Weg zum Postwachstum?

15. Mai 2014

Der Wissenschaftsjournalist und Leiter des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung Reiner Klingholz wagt mit seinem neuen Buch „Sklaven des Wachstums: Die Geschichte einer Befreiung“ einen utopischen Wurf. Er skizziert eine zukünftige Welt, die nicht mehr dem Wachstumsparadigma der modernen, durch Industrie und Finanzwirtschaft geprägten Ordnung folgt, sondern das unvermeidliche Schrumpfen als Weg und Ziel zukünftiger Entwicklungspfade aufzeigt. Der Tipp des Monats aus der Redaktion.

Der Ausgangspunkt dieses, im besten Sinn subversiven Buches ist ein Zukunftsszenario. Im Jahr 2297 haben der Klimawandel, der demografische Übergang zu einer geschrumpften Bevölkerung, ein radikaler Umbau bisheriger politischer Systeme, vor allem aber die Transformation zu einem Wirtschaftssystem der Genügsamkeit im Zeitalter des Postwachstums die Welt verändert. Grönland ist zu einem gut besiedelten Grünland geworden, als neue Heimstatt erschlossen durch die Nachkommen von Klima- und Krisenflüchtlingen aus aller Herren Länder. So weit die Utopie.

Es schließt sich eine Analyse der Gegenwart und ihrer Probleme an, um den Weg in die Zukunft des Postwachstums aufzuzeigen, auf dem wir uns laut Klingholz schon befinden – allerdings ohne es zu wissen. Die großen Akteure und „Gleichmacher“ sind dabei so genannte „normative Kräfte“, die den Strukturwandel bewirken, egal ob er von den Menschen gewünscht wird oder nicht. Die Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung, der globale Klimawandel, eine Wirtschaft, die sich in den entwickelten Ländern mit immer weniger Zuwachs zufrieden geben muss, bringen letztlich eine Schrumpfung, lies: eine Gesundschrumpfung. Der Übergang zur „schönen neuen Welt“ des Postwachstums wird aber kein sanfter, sondern ist von Krisen und harten Verteilungskämpfen begleitet.

Das als Weckruf zu lesende Buch zielt darauf, soziale und politische Phantasie aufzuwenden, um diesen langfristigen und unabwendbaren Prozess auszugestalten. Deutschland und Japan sind mit ihrem frühen Prozess der Alterung und der prognostizierten demografischen Schrumpfung dafür chancenreiche Soziallabore, so Klingholz. Es gilt, so mag man halb ironisch formulieren, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern als globales Modell zu erkennen, zu entwickeln und zu exportieren.

Reiner Klingholz: Sklaven des Wachstums: Die Geschichte einer Befreiung. Campus 2014. 24,99 €. ISBN 978-3-593-39798-6. www.campus.de

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