Kurzmeldungen – Europa

12. Dezember 2007

Frankreich: Umstrittene Gentests erlaubt
Mit seiner Entscheidung vom 15. November hat der französische Verfassungsrat (Conseil Constitutionnel) die Einführung von Gentests zur Überprüfung des Verwandtschaftsverhältnisses bei Familienzusammenführungen erlaubt (Az: 2007-557 DC). Nationalversammlung und Senat hatten das umstrittene Einwanderungsgesetz Ende Oktober verabschiedet (vgl. MuB 8/07). Gegen die Einführung der Gentests hatte sich eine breite Protestfront gebildet. Die oppositionellen Sozialisten hatten in der Angelegenheit den Verfassungsrat angerufen. Dieser knüpfte die Gentests nun an konkrete Bedingungen: Sie dürfen nur in letzter Instanz und erst nach ausgiebiger Prüfung der Personaldokumente der Antragsteller angewandt werden; es bedarf einer richterlichen Genehmigung und der Staat trägt die Kosten. Der Verfassungsrat hob zudem hervor, dass der Familiennachzug auch allen adoptierten Kindern offensteht. Hingegen verbot er die im Gesetz geplante erstmalige Erfassung von ethnischer Herkunft und Religion in amtlichen Statistiken.
www.conseil-constitutionnel.fr/decision/2007/2007557/index.htm

EU: Erweiterung des Schengenraumes
Bei einer Sitzung des EU-Ministerrates am 6. Dezember in Brüssel haben die Justiz- und Innenminister den Wegfall weiterer Grenzkontrollen innerhalb der EU formal beschlossen. Ab der dritten Dezemberwoche werden die Grenzen Estlands, Lettlands, Litauens, Maltas, Polens, der Slowakei, Sloweniens, der Tschechischen Republik und Ungarns für den freien Verkehr von Personen, Waren und Dienstleistungen geöffnet. An den deutschen Außengrenzen entfallen zukünftig die Grenzkontrollen zu Polen und zu Tschechien. Während die deutsche Polizeigewerkschaft GdP durch die Grenzöffnung eine Gefahr für die Sicherheit der Bürger befürchtet, begrüßte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Schengen-Erweiterung ausdrücklich.

EU: Speicherung von Fluggastdaten
Anfang November hat die EU-Kommission ein umfangreiches Gesetzespaket zur Terrorismusbekämpfung vorgelegt, das u. a. vorsieht, ein europäisches System für den Austausch von Fluggastdatensätzen einzurichten. Hintergrund sei die wichtige Rolle, die der internationale Passagierverkehr bei der Vorbereitung und Ausführung von Terroranschlägen spielte.
Der Gesetzentwurf sieht vor, Fluggastdaten für Flüge von und nach Europa 5 bis 8 Jahre zu speichern. Die Fluggesellschaften müssten dann Daten wie Name, Anschrift, Telefon- und Kreditkartennummer, Reisebüro, Sitzplatznummer, Umbuchungen, Nichterscheinen oder Stornierungen an die im jeweiligen Mitgliedstaat zuständige Behörde weiterleiten. „Sensible“ Daten wie die religiöse oder ethnische Gruppenzugehörigkeit würden nicht erhoben, so EU-Kommissar Franco Frattini. Die Regelungen bedürfen der Zustimmung aller EU-Mitgliedstaaten.
ec.europa.eu/news/justice/071106_1_de.htm

EU/Russland: Visumspflicht abschaffen
Die Europäische Union und Russland haben ihre Absicht erklärt, die Visumspflicht abzuschaffen. „Das wird allerdings noch einige Zeit dauern“, sagte Kreml-Verwaltungschef Viktor Iwanow Ende November. Bei einem Treffen eine Woche zuvor, an dem die Justiz- und Innenminister Russlands sowie Vertreter der derzeitigen portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft teilnahmen, habe man zunächst die Umsetzung von Visa-Erleichterungen ins Auge gefasst. EU-Justizkommissar Franco Frattini bekräftigte, dass eine konstruktive Zusammenarbeit im Kampf gegen Terrorismus und Menschenhandel die Voraussetzung für spätere Erleichterungen sei.
www.ec.europa.eu

Erneut zahlreiche Boatpeople umgekommen
Auch im November sind wieder zahlreiche Boatpeople bei dem Versuch, in die Staaten der Europäischen Union einzureisen, ums Leben gekommen. Anfang November fanden spanische Grenzschutzkräfte vor der Küste Mauretaniens ein Boot mit 45 toten Afrikanern. Sie hatten versucht, auf die Kanarischen Inseln zu gelangen und mit ihrem Boot einen Motorschaden erlitten. Bis Ende August dieses Jahres griff die spanische Küstenwache nach Angaben des Innenministeriums bereits 8.000 Menschen auf. Nach offiziellen Angaben starben dieses Jahr bereits mehr als 100 Menschen bei der gefährlichen Überfahrt auf die Kanaren. Das europäische Flüchtlingsnetzwerk „Fortress Europe“ schätzt, dass in diesem Jahr mehr als 1.300 Menschen beim Versuch der illegalen Einreise aus Afrika nach Europa starben. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen.
fortresseurope.blogspot.com

Italien: Keine Massenausweisung von Rumänen
Italien will auf die Massenabschiebung von rumänischen Staatsbürgern verzichten. Das kündigte Innenminister Giuliano Amato (Sozialisten) nach einem Treffen von Ministerpräsident Romano Prodi (Demokratische Partei) mit dessen rumänischen Amtskollegen Cãlin Popescu-Tãriceanu (Nationalliberale Partei) an. Nach einem Raubmord an einer Italienerin durch einen rumänischen Angehörigen der Roma-Minderheit in einem Vorort von Rom war es in verschiedenen Gegenden Italiens zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen und Racheakten gekommen. Italiens Regierung hatte daraufhin ein Eildekret erlassen, das die massenhafte Abschiebung von Rumänen ermöglichte, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellten. Das Ausweisungsdekret kollidierte in seiner ursprünglichen Form jedoch mit dem EU-Recht. Es wurde inzwischen dahingehend korrigiert, dass Ausweisungsanträge der richterlichen Prüfung unterliegen und nur bei größeren Straftaten vollzogen werden können. Viele der rund 500.000 rumänischen Migranten in Italien sind Roma.

EU: Rechtsextreme Fraktion aufgelöst
Nach einem internen Streit wurde die erst zu Jahresbeginn gegründete rechtsextreme Fraktion „Identität, Tradition und Souveränität“ (ITS) im Europäischen Parlament (EP) am 14. November offiziell aufgelöst. Nach dem Austritt von fünf Abgeordneten der Großrumänien-Partei umfasste die ITS-Fraktion nur noch 18 Mitglieder und somit zwei zu wenig, um den Fraktionsstatus zu behalten. Die Rechtsextremen hatten diesen Status erst Anfang Januar erlangt, da infolge der Aufnahme Bulgariens und Rumäniens in die Europäische Union sieben neue Rechtsextreme in das EP eingezogen waren. Eines der politischen Ziele der ITS-Fraktion war es, die Einwanderung nach Europa zu stoppen.
Durch die Aberkennung des Fraktionsstatus verlieren die Rechtsextremen u. a. logistische und finanzielle Unterstützung sowie das Recht, Anträge zur Tagesordnung zu stellen. Auslöser des Streits waren abfällige Äußerungen der italienischen Abgeordneten Alessandra Mussolini (ITS) nach der Ermordung einer Italienerin durch einen Rumänen (vgl. Kurzmeldung Italien). Mussolini hatte gesagt, die in Italien lebenden Rumänen hätten Kriminalität zum Lebensstil gemacht und für deren Abschiebung in einem Schnellverfahren plädiert.
www.europarl.europa.eu

Türkischer Ministerpräsident kritisiert Zuwanderungsgesetz
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan (AKP, islamisch-konservativ) hat Ende November bei einem Treffen mit der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung Maria Böhmer (CDU) in Ankara das neue deutsche Zuwanderungsgesetz kritisiert (vgl. MuB 6/07). Insbesondere übte er Kritik an den Sprachkursen für zuzugswillige Ehepartner. Seit Ende August müssen u. a. türkische Staatsangehörige, die zu ihrem Ehepartner nach Deutschland ziehen wollen, bei der Einreise einfache Deutschkenntnisse nachweisen. Die Türkische Gemeinde in Deutschland hatte bereits angekündigt, Klagen gegen diese Regelungen des Zuwanderungsgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht zu unterstützen.
www.integrationsbeauftragte.de

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