Nachdem die Zuwanderungskommission der CDU Anfang Mai ihren Bericht vorlegte, tritt die Debatte um die künftige Migrations- und Integrationspolitik in ihre entscheidende Phase. Die Zuwanderungskommission der Bundesregierung unter Vorsitz von Rita Süssmuth (CDU) wird ihre Schlussfolgerungen und Empfehlungen am 4. Juli präsentieren. Obwohl offiziell noch keine Ergebnisse bestätigt wurden, kreist die derzeitige öffentliche Diskussion um Kriterien für die Auswahl künftiger Zuwanderer, die Einrichtung einer Migrationsbehörde auf Bundesebene und die Bedeutung von Sprachkenntnissen für die Integration von Zuwanderern und bereits ansässigen Ausländern und Aussiedlern.
In der Diskussion um Steuerungsmöglichkeiten künftiger Zuwanderung nach Deutschland scheint sich ein parteiübergreifender Konsens auf die Einführung eines so genannten Punktesystems abzuzeichnen, wie es beispielsweise in Kanada praktiziert wird. Dabei geht es um die Auswahl von zuwanderungswilligen Personen anhand bestimmter Kriterien, wie Alter, Ausbildung, Berufserfahrung und Sprachkenntnisse. Die Zuwanderungskommission der CDU empfiehlt in ihrem Abschlussbericht ein solches Punktesystem. Zeitungsmeldungen zufolge hat sich auch die Zuwanderungskommission der Bundesregierung darauf verständigt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) schlägt in seinem Zuwanderungskonzept ebenfalls ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild vor, in dem verschiedene Kriterien prozentual gewichtet werden. So soll etwa das Alter mit 25%, der Schulabschluss mit 20%, die Berufserfahrung und familiäre Bindung mit je 10% und eine individuelle Einschätzung des Kandidaten durch deutsche Behörden mit 5% gewichtet werden. Bewerber aus Beitrittskandidaten der EU sollen laut DGB Bonuspunkte erhalten.
Neben der Regelung der Auswahl von Zuwanderern wird auch die institutionelle Gestaltung der zukünftigen Migrationspolitik diskutiert. Bislang sind auf Bundesebene vor allem das Bundesverwaltungsamt in Köln (BVA), die Bundesanstalt für Arbeit (BfA) und das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl), beide in Nürnberg ansässig, für verschiedene Migrantengruppen zuständig. Barbara John (CDU), Ausländerbeauftragte des Senats von Berlin, sprach sich für die Gründung eines eigenständigen Bundesamtes für Migration aus. Sie beklagte die Vielzahl von Behörden, die alle mit ihren Einzelaspekten beschäftigt sind". Eine zentrale Bundesbehörde könne im Vergleich dazu effizienter und schneller arbeiten. Wolfgang Bosbach, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion, sprach sich ebenfalls für die Errichtung eines Bundesamtes für Migration aus. Er hält eine zentrale Zuständigkeit für Zuwanderungs- und Integrationsfragen für wünschenswert. Dazu sei jedoch keine Neugründung nötig, eine Umorganisation der bereits vorhandenen Behörden genüge. Bosbach zufolge könne das BVA entsprechende Aufgaben übernehmen, da es bereits Erfahrungen mit der Integration von Aussiedlern gesammelt habe. Zudem könne auch das BAFl in die Aufgabenverteilung integriert werden. Wolfgang Zeitlmann, innenpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, wandte sich strikt gegen eine zentrale Behörde auf Bundesebene, da dies letztlich bedeute, den Vollzug des Ausländerrechts von den Ländern wegzunehmen".
Cem Özdemir, innenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, gab zu bedenken, dass die Konzentration von Zuständigkeiten nicht per se effizienter sei. Als Beispiel nannte er die Familienzusammenführung, die bislang dezentral von den Ausländerbehörden zufriedenstellend durchgeführt werde. Hingegen plädierte Özdemir dafür, statt einer neuen Behörde langfristig ein Bundesministerium für Einwanderung und Integration zu schaffen. Einwanderung und Integration seien Querschnittsaufgaben, die sowohl wirtschaftliche und rechtliche als auch bildungs-, kultur- und außenpolitische Aspekte beinhalteten und innerhalb eines Ministeriums leichter zu bewältigen seien. Unabhängig davon sollte im Bundestag ein Einwanderungsausschuss eingerichtet werden. Des Weiteren empfahl Özdemir die kurzfristige Einrichtung eines an das Bundeskabinett angegliederten ressortübergreifenden Ausschusses, der sich mit den Empfehlungen der von der Bundesregierung eingesetzten Zuwanderungskommission befassen solle.
Neben der konkreten Gestaltung der Zuwanderungspolitik wird auch die Integration von Migranten diskutiert. So sagte Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD), parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, die Integration von Zuwanderern werde ein Kernbereich künftiger Zuwanderungspolitik" sein. Sprachkenntnissen von Zuwanderern kämen bei der Eingliederung in die Gesellschaft eine Schlüsselrolle zu, so Sonntag-Wolgast. Es sei aber noch offen, ob Migranten zur Teilnahme an Sprachkursen verpflichtet werden sollten, wie die CDU es vorschlägt, oder ob man den Weg positiver Anreize wählen werde. Franz Müntefering, Generalsekretär der SPD, hingegen erklärte, es sollte Pflicht sein, Deutschkurse zu belegen." Zuvor hatten sowohl die Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John als auch Fritz Behrens (SPD), Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, den ihrer Ansicht nach nicht ausreichenden Integrationswillen der in Deutschland lebenden türkischen Bevölkerung kritisiert. Behrens verlangte, Türken zur Teilnahme an Deutschkursen zu verpflichten. Bei Nichtteilnahme könnten beispielsweise soziale Hilfen gekürzt werden. Eckart Werthebach (CDU), Innensenator des Landes Berlin, forderte eine finanzielle Beteiligung der Ausländer an den Sprachkursen. Wer nicht teilnehme, müsse damit rechnen, dass er keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus erhalte, so Werthebach. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung Marieluise Beck (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die Pläne zur obligatorischen Teilnahme an Sprachkursen, denn wo das Angebot nicht ausreicht, ist der Ruf nach obligatorischen Sprachkursen absurd." Zudem erinnerte Beck daran, dass einer Verpflichtung von Türken und EU-Angehörigen rechtliche Hindernisse im Wege stünden. vö