Die Terroranschläge auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 sowie Sicherheitsmaßnahmen im Zuge des Angriffes auf Afghanistan haben in den Vereinigten Staaten zu einem Kurswechsel in verschiedenen Feldern der Migrationspolitik geführt.
Noch Anfang September standen während eines zweitätigen Besuches des mexikanischen Präsidenten Vicente Fox (PAN) in den USA die Aushandlung eines Gastarbeiterabkommens sowie die Legalisierung illegaler Einwanderer auf der Agenda der Gespräche mit dem Amtskollegen und Gastgeber George W. Bush (Republikaner). Diese Themen wurden bereits beim ersten Treffen zwischen beiden Präsidenten im Februar 2001 ausführlich erörtert und an eine hochrangige Kommission zur Erarbeitung konkreter Vorschläge weitergegeben (vgl. MuB 2/01).
Seit den Anschlägen in New York und Washington sind diese Pläne jedoch in den Hintergrund gerückt. Die politische Debatte in Einwanderungsfragen ist seitdem durch die Verknüpfung mit der inneren und äußeren Sicherheit der Vereinigten Staaten bestimmt: Jetzt gibt es nur eine Priorität auf der Tagesordnung: Maßnahmen gegen Terrorismus auf allen Ebenen", so der einflussreiche texanische Kongress-Abgeordnete und Vorsitzende des Unterausschusses für Einwanderung Lamar Smith (Republikaner).
US-Justizminister John Ashcroft (Republikaner) schlug bereits wenige Tage nach den Anschlägen ein Anti-Terror-Paket" vor, welches u.a. eine zeitlich unbegrenzte Haft für Terrorismus-Verdächtige ohne Einschalten eines Anwalts und die Möglichkeit der sofortigen Abschiebung ohne Gerichtsverfahren vorsah. Anfang Oktober 2001 erzielten Vertreter der Demokraten und Republikaner im Repräsentantenhaus einen Kompromiss (Patriot Act). Die Haftdauer ohne Rechtsbeistand könnte demnach auf maximal eine Woche festgesetzt werden und nur in Härtefällen verlängert werden.
Kongress-Abgeordnete beider Parteien schlugen weitere Maßnahmen im Bereich Zuwanderung vor. So etwa die bislang mehrheitlich abgelehnte Einführung einer mit Fingerabdrücken versehenen nationalen Identitätskarte für US-Bürger und legal in den USA lebende Ausländer, die Reduzierung der Vergabe von Einreisevisa, eine erhöhte Kontrolle bei der Vergabe von Visa an ausländische Studierende sowie verstärkte Kontrollen an den Grenzen zu Mexiko und Kanada.
Das Repräsentantenhaus beschloss Ende September, dass Einheiten der US-Armee die Grenzschutzpolizei Border Patrol unterstützen sollen. Des Weiteren wurde die Einrichtung einer Visa-überwachungsbehörde vorgeschlagen. Sie soll Ein- und Ausreisen in die USA überprüfen sowie zur Aufdeckung von Personen beitragen, deren Visum in den USA bereits abgelaufen ist und die das Land nicht verlassen haben (visa-overstayers).
Bürgerrechtsgruppen und Einwandererorganisationen befürchten, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zu einem migrationspolitischen Rückschritt führen. Sie ziehen Parallelen zu den Anschlägen von 1993 (New York) und 1995 (Oklahoma), in deren Folge ebenfalls restriktive Gesetze zur Verhaftung und Abschiebung von verdächtigen Ausländern beschlossen wurden. Ich glaube nicht, dass die Geschehnisse [...] auf ein Versagen der Einwanderungsgesetze zurückgeführt werden können", so Jeanne Butterfield, Direktorin der American Immigration Lawyers Association (AILA), ich denke, wir sollten sehr vorsichtig sein und diese kostbaren Freiheiten und die Verfassung nicht mit den Füßen treten."
Indessen haben sich in den Wochen nach den Terroranschlägen Fälle gehäuft, in denen arabisch-stämmige bzw. arabisch aussehende US-Amerikaner und Einwanderer diskriminiert wurden. Neben Drohungen, verbalen und körperlichen Attacken wurden sogar Morde an Personen arabischen Aussehens begangen. Zur Untersuchung dieser Fälle wurde eine bundesweite Sondereinsatzgruppe gegründet. Präsident Bush traf sich mit Vertretern der arabischen und moslemischen Gemeinden und betonte sein Interesse an einem friedlichen Zusammenleben der verschiedenen ethnischen, kulturellen und religiösen Gruppen in den USA. In den Vereinigten Staaten leben verschiedenen Angaben zufolge bis zu 7 Mio. Menschen moslemischen Glaubens.
Vertreter der mexikanischen Regierung betonten, dass das Gastarbeiterabkommen mit den USA sowie das angestrebte Legalisierungsprogramm für illegale Migranten auf Grund der aktuellen Situation zwar nicht mehr im Vordergrund stehe. Zugleich habe Präsident Bush jedoch seinem Amtskollegen Fox mitgeteilt, dass auf US-amerikanischer Seite weiterhin Interesse an einem Vorankommen dieser Projekte vorhanden sei. Politische Beobachter in den USA und Mexiko verweisen diesbezüglich auf das Interesse Bushs und seiner Republikanischen Partei, Sympathien beim wachsenden Wählerpotenzial von US-Bürgern lateinamerikanischer und v.a. mexikanischer Abstammung zu gewinnen (vgl. MuB 6/00). sta
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