Auf dem EU-Gipfel in Thessaloniki am 20. und 21. Juni 2003 einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten auf eine Reihe von Regelungen im Bereich der Einwanderungspolitik. Vorschläge Großbritanniens zur Einrichtung von Flüchtlingslagern außerhalb der EU wurden nicht angenommen.
Die von den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten beschlossenen Maßnahmen konzentrierten sich wie bereits in Sevilla 2000 (vgl. MuB 06/02) auf die Verhinderung illegaler Einwanderung. Jedoch wurden auch erstmals auf einem Ratstreffen ökonomische Aspekte von Einwanderung für die Staaten der EU betont.
Der Rat beschloss für den Zeitraum von 2004 bis 2006 zusätzlich 140 Mio. Euro für die Verstärkung der Grenzsicherheit und die Schaffung einer Datenbank für EU-Visa auszugeben. Als Begründung wurde die Verlängerung der EU-Außengrenzen durch die Osterweiterung 2004 angeführt. Ferner wurde die Einführung von Pässen beschlossen, die biometrische Daten des Passinhabers enthalten. Dafür gibt es jedoch noch keinen konkreten Zeitplan. Weitere 250 Mio. Euro wurden für die Zusammenarbeit mit Nicht-EU-Staaten bezüglich der Rückführung von Flüchtlingen bereitgestellt.
Die Regierungschefs waren sich auf dem Gipfel einig, dass die EU legale Zuwanderung brauche. Als erste Maßnahme zu einer gemeinsamen Einwanderungspolitik verpflichteten sie die Europäische Kommission, einen jährlichen Bericht zu Migration und Integration in Europa zu verfassen. Der Bericht soll dazu dienen, nationale Politiken zu vergleichen und somit transnationale Lernprozesse zu erleichtern.
Der griechische Ministerpräsident Kostas Simitis (Sozialisten), zum Zeitpunkt des Gipfels EU-Ratspräsident, erklärte in Thessaloniki: „Schritt für Schritt erarbeiten wir eine gemeinsame Immigrationspolitik, die sowohl die illegale als auch die legale Einwanderung betrifft“.
Im Vorfeld des Gipfels hatten zwei Vorschläge Großbritanniens zu einer Kontroverse unter den Mitgliedstaaten geführt. Der erste Vorschlag sah die Errichtung von Lagern für Asylbewerber außerhalb der EU vor. Diese so genannten „Transit Processing Centers“ (TPC) sollten in den wichtigsten Transitländern am Rande der EU, z.B. Russland, Weißrussland, Rumänien, Albanien und Kroatien, errichtet werden. Asylbewerber sollten aus den EU-Ländern in diese Zentren gebracht werden und dort auf die Entscheidung über ihren Antrag warten. Erfolgreiche Antragsteller sollten dann nach einem Quotensystem auf die EU-Mitgliedstaaten aufgeteilt werden. Abgelehnte Flüchtlinge sollten direkt in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden. Einige Tage vor dem Gipfel hatte Großbritannien diesen Vorschlag nach Einwänden vor allem von Schweden und Deutschland, die ein Unterlaufen der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) befürchten, zunächst fallen lassen.
Der zweite Vorschlag der britischen Regierung bestand in der Einrichtung von Flüchtlingslagern in regionalen Schutzzonen („regional protection areas“). Diese Zonen sollten in Regionen entstehen, aus denen besonders viele Flüchtlinge stammen, zum Beispiel am Horn von Afrika, in Afghanistan oder im Irak. Auch diesen Vorschlag lehnte der Rat entgegen der Empfehlung des UNHCR ab. Griechenland, Deutschland und Schweden hatten sich gegen die Einrichtung solcher Lager ausgesprochen, da die Internierung von Personen nicht mit den Menschrechten vereinbar sei.
Nach Angaben von Einwanderungsministerin Beverly Hughes (Labour) will Großbritannien nun mit einer „Koalition der Willigen“ die Pilotprojekte ohne EU-Gelder etablieren. Die Niederlande, Belgien, Österreich und Dänemark wollen die Pläne unterstützen.
Großbritannien hatte in den vergangen drei Jahren jeweils die höchste Zahl von Asylbewerbern aller EU-Länder zu verzeichnen. Im Januar dieses Jahres trat eine Reform des Asylrechts in Kreft (vgl. MuB 02/03 und 03/03). Die Zahl der Asylanträge ging daraufhin im ersten Quartal 2003 um ein Drittel verglichen mit dem Vergleichszeitraum des Vorjahres zurück. Ebenfalls auf Drängen der britischen Regierung wurde das Flüchtlingslager in Sangatte auf der französischen Seite des Ärmelkanals geschlossen (vgl. MuB 02/02). Premierminister Tony Blair (Labour) hatte 2002 die Halbierung der Zahl der Asylbewerber versprochen. me
Weitere Informationen:
www.bundesregierung.de/Themen-A-Z/Aussenpolitik-,8793/Gipfel-und-Konferenzen.htm
http://ue.eu.int/pressData/en/ec/76279.pdf