Anfang Februar hat die EU-Kommission einen Bericht über die Arbeitnehmermobilität zwischen neuen und alten Mitgliedstaaten seit der Osterweiterung am 1. Mai 2004 vorgestellt. Dieser soll den Mitgliedstaaten als Grundlage für die Entscheidung über eine weitere Beschränkung des Zugangs zu ihren Arbeitsmärkten dienen. Laut Bericht kam es seit 2004 nur zu einem geringen Anstieg der Ost-West-Migration in Europa. Die Kommission empfiehlt daher den Mitgliedstaaten, auf eine Verlängerung der Zugangsbeschränkungen für osteuropäische Arbeitnehmer zu verzichten. Deutschland, Österreich und Belgien wollen an der Beschränkung festhalten.
In den Verträgen über den Beitritt der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten (EU10) zum 1. Mai 2004 war auf Drängen Deutschlands und Österreichs den alten Mitgliedstaaten (EU15) die Möglichkeit eingeräumt worden, den Zugang zu ihren Arbeitsmärkten bis maximal 2011 zu beschränken. Jedoch muss die Notwendigkeit einer Beschränkung 2006 und erneut 2009 geprüft und gegebenenfalls begründet werden. Mit Ausnahme Schwedens, Irlands und Großbritanniens hatten 2004 alle EU15-Staaten von der Regelung Gebrauch gemacht (vgl. MuB 3/04). Bis Ende April müssen die Mitgliedstaaten der Kommission nun mitteilen, ob sie den Zugang zu ihren Arbeitsmärkten weiter beschränken wollen.
In ihrem Bericht kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die Migrationsströme zwischen EU10 und EU15 zu gering seien, um den EU-Arbeitsmarkt insgesamt zu beeinflussen. Die Mobilitätsströme aus den EU10- in die EU15-Mitgliedstaaten sowie zwischen ersteren seien sehr gering. Der Anteil der EU10-Bürger an der Wohnbevölkerung jedes einzelnen EU15-Mitgliedstaats sei nach der Erweiterung relativ stabil geblieben, mit Ausnahme von Großbritannien, Österreich und Irland. Staatsangehörige der neuen EU10-Staaten machten im Durchschnitt weniger als 1 % der erwerbsfähigen Bevölkerung aus. In Schweden blieb der Anteil nach der Erweiterung stabil bei 0,2 %, obwohl keine Barrieren existierten. In Österreich verdoppelte sich der Anteil der mittel- und osteuropäischen Arbeitnehmer trotz Zugangsbeschränkungen innerhalb von zwei Jahren auf 1,4 %. Auch in Großbritannien verdoppelte sich der Anteil auf 0,4%. Nach einem Bericht der britischen Regierung kamen seit 2004 etwa 346.000 Arbeitnehmer überwiegend aus Polen, Litauen und der Slowakei nach Großbritannien und füllen u. a. im öffentlichen Sektor wichtige Lücken. Gegen Ende 2005 nahm der Zustrom ab. In Irland liegt der Anteil der Arbeitskräfte aus den neuen Mitgliedstaaten mit 2 % am höchsten, in Deutschland liegt er bei 0,7 %.
Die Kommission sieht daher keine direkte Verbindung zwischen den bestehenden Übergangsregelungen und dem Ausmaß der Mobilitätsströme. Laut Kommission hatten die Migrationsströme nach der Erweiterung aber einen positiven Einfluss auf die Volkswirtschaften der EU15-Mitgliedstaaten. Arbeitnehmer aus Osteuropa hätten dazu beigetragen, Qualifikationslücken in den alten Mitgliedstaaten zu schließen. Die Kommission empfiehlt daher allen EU15-Staaten, auf eine Verlängerung der Zugangsbeschränkungen für osteuropäische Arbeitnehmer zu verzichten.
Die Bundesregierung kündigte nach Erscheinen des Berichtes jedoch an, den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt auch in den nächsten drei Jahren und wahrscheinlich bis 2011 zu beschränken. Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) erklärte, „beim Wegfall der bestehenden Beschränkungen wäre mit einem weitaus höheren Andrang von Wanderarbeitnehmern vor allem im Niedriglohnsektor zu rechnen. Dies könnte in der derzeitigen Lage zu nicht hinnehmbaren Spannungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt führen, der weiterhin von hoher Arbeitslosigkeit geprägt ist.“ Auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sieht in den Übergangsfristen einen „weiterhin notwendigen Puffer zum Schutze unseres Arbeitsmarktes und unseres Handwerks“. Die SPD-Abgeordnete im Europäischen Parlament Karin Jöns erklärte zudem, eine Aufhebung der Zugangsbeschränkungen sei Gewerkschaften und Arbeitnehmern „nicht zu vermitteln“.
Die FDP kritisierte die Haltung der Bundesregierung. „Die große Koalition sollte [...] die Beschränkungen für osteuropäische Arbeitnehmer vollständig aufheben“, sagte der Europaabgeordnete Alexander von Lambsdorff. Auch aus den Reihen von Bündnis 90/Die Grünen kam Kritik. „Die Verlängerung der Zugangssperre verschlimmert nur die Probleme“, sagte Elisabeth Schrödter, Arbeitsmarktexpertin der Grünen im Europäischen Parlament. Denn dadurch steige die illegale Beschäftigung und diese sei schwerer zu kontrollieren als die legale. Deutschland solle besser die Entsende-Richtlinie der EU auf alle Branchen anwenden und endlich Mindestlöhne für verschiedene Branchen vorgeben.
Auch einige Wirtschaftsverbände kritisierten die Position der Bundesregierung. Der Arbeitsmarktexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Oliver Heikaus forderte die Bundesregierung auf, sie solle „in den kommenden drei Jahren den Arbeitsmarkt wenigstens schrittweise öffnen“. Auch der Deutsche Bauernverband (DBV) forderte ein Ende der Beschränkung. Die Landwirtschaft sei zur Ernte auf hunderttausende ausländische Saisonarbeitskräfte angewiesen.
Spanien, Portugal und Finnland kündigten an, ihre Arbeitsmärkte ab Mai dieses Jahres zu öffnen. Frankreich will möglicherweise einige Sektoren öffnen. Neben Deutschland wollen auch Belgien und Österreich den Zugang weiter beschränken. me
Weitere Informationen:
europa.eu.int/
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www.bmas.bund.de/BMAS/
www.dwp.gov.uk/asd/asd5/wp29.pdf