Die Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen (UN Population Division) hat Ende Oktober 1998 neue Schätzungen und Projektionen für die Bevölkerung fast aller Staaten der Welt veröffentlicht. Diese Projektionen werden alle zwei Jahre auf der Basis neuer Daten und Schätzungen zu Fruchtbarkeit, Sterblichkeit, und Wanderungen revidiert. Sie sind die konsistente und verbindliche Grundlage für alle Organisationen und Struktureinheiten im UNO-System, die Bevölkerungsinformationen verwenden. Die Projektionen werden, wie in der Vergangenheit, in drei Szenarien präsentiert, von denen das mittlere Szenario als die wahrscheinlichste Variante betrachtet wird.
Die neuesten Prognosen erwarten für das Jahr 2050 eine Weltbevölkerung von 8,9 Mrd. Menschen (1998: 5,9 Mrd.). Sie sind gegenüber vorhergehenden Prognosen erneut nach unten korrigiert worden. Die Prognose aus dem Jahr 1996 hatte für Mitte des nächsten Jahrhunderts noch 9,4 Mrd. Menschen erwartet, eine noch ältere Prognose von 1994 sogar 9,8 Mrd. Die Schätzungen des mittleren Szenarios für 2050 fanden in den Medien erwartungsgemäß die größte Aufmerksamkeit. Oft wurden aus dieser einzelnen Zahl Entwarnungen zum Weltbevölkerungswachstum" oder Erfolge der Familienplanung" abgeleitet.
Die Realität der Bevölkerungsentwicklung und auch ihre Widerspiegelung in den UNO-Prognosen ist vielschichtiger. Dies wird schon deutlicher, wenn man auf die Angaben zu den einzelnen Nationalstaaten schaut. Für knapp 100 Länder hat die UNO ihre jüngsten Prognosen gegenüber denen von 1996 nach unten korrigiert, für weitere 65 Länder unverändert gelassen. Für 23 Länder musste die Bevölkerungsabteilung ihre alten Schätzungen diesmal nach oben korrigieren. So gab die ältere Prognose für Deutschland eine Bevölkerung von 69,5 Mio. im Jahre 2050 an, die jüngste Prognose kommt auf 73,3 Mio. Für Kolumbien wurde die Prognose um mehr als 9 Mio. nach oben korrigiert. Die Differenz zwischen der aktuellen UNO-Weltbevölkerungsprognose und der von 1996 entfällt zu zwei Dritteln auf nur sechs Staaten: Nigeria (Korrektur: -94 Mio.), Iran (-55 Mio.), Äthiopien (-42 Mio.), Südafrika (-40 Mio.), China (-39 Mio.) und Myanmar/Burma (-16 Mio.). Nur in 14 weiteren Ländern wurden die Projektionen für 2050 um mehr als 1% nach unten korrigiert. Insofern fordert auch die aktuelle Revision der UNO-Prognosen kaum eine spektakuläre Umbewertung der bekannten Tatsache, dass das Bevölkerungswachstum für viele Entwicklungsländer auch im 21. Jahrhundert relevant bleibt.
Die Revision von Prognosergebnissen für einzelne Länder kann allgemein aus veränderten Schätzungen zur aktuellen Bevölkerungsgröße oder durch überarbeitete Annahmen zur weiteren Entwicklung von Fruchtbarkeit, Sterblichkeit und internationalen Wanderungen resultieren. Für die meisten Entwicklungsländer spielte die Korrektur der erwarteten Entwicklung der Kinderzahlen eine wichtige Rolle. In den letzten beiden UNO-Prognosen wurden für viele Entwicklungsländer ein schnellerer Rückgang der Kinderzahlen angenommen. Neu in der aktuellen Prognose sind die Annahmen für Länder mit niedriger Fruchtbarkeit. Bisher ging man von der eher normativen Annahme aus, dass diese Länder zukünftig einen Anstieg der Kinderzahlen bis auf ca. 2,1 Kinder je Frau erleben würden. Die Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen hat 1998 erstmals ihre Fruchtbarkeitsannahmen für das mittlere Szenario korrigiert und für diese Länder eine langfristig niedrigere Kinderzahl angenommen.
Wichtige Veränderungen bei den Sterblichkeitsannahmen wurden für 34 Länder getroffen, in denen HIV/AIDS heute bereits eine wichtige Rolle spielt. Für einige dieser Länder (u.a. Botswana, Kenia, Malawi, Ruanda) wurden die Schätzungen zur aktuellen Lebenserwartung um 10 Jahre nach unten korrigiert. Die zusätzlichen Sterbefälle als Folge der Immunschwächekrankheit werden in diesen Ländern das Bevölkerungswachstum in den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts verlangsamen, aber nicht zum Stillstand bringen.
Eine methodische Neuerung der aktuellen Prognosen ist die Darstellung von detaillierten Ergebnissen für die Altersguppen über 80 Jahren. Bisher waren die Ältesten der Alten" in einer Gruppe (80+J.) zusammengefasst. Jetzt gibt es diese Zusammenfassung erst ab dem Lebensalter von 100 Jahren. Für viele westliche Staaten, aber auch eine zunehmende Zahl von Entwicklungsländern werden diese Angaben eine wichtige Grundlage für Analysen zu Altersversorgungssystemen sein.
Die Bevölkerungsabteilung der
Vereinten Nationen stellt ausführliches Pressematerial
zu den neuen Prognosen auf ihrer Website
(www.popin.org/pop1998) zur Verfügung.
Die gedruckten Tabellenbände dürften erst 1999
erscheinen und sind dann über den UNO-Verlag in Deutschland zu bestellen. Die
Ergebnisse können jedoch auch auf Disketten oder
Magnetbändern bezogen werden.
Kontakt: Joseph Chamie, Director, Population Division, United Nations, New York,
Tel. 001-212-9633179, Fax 001-212- 9632147. ru