In der anhaltenden Diskussion über die zukünftige Regelung von Zuwanderung und Asyl haben die Parteien in den vergangenen Wochen ihre Positionen präzisiert. In einer Reihe von Grundsatzpapieren legten sie ihre Vorstellungen zum Thema Einwanderungsgesetz, Integration und Asyl vor.
Von Bündnis 90/Die Grünen liegt seit Mitte November 2000 ein Beschluss des Parteirats vor. Die Zuwanderungspolitik soll auf einem 3-Säulen-Modell basieren, das folgende Zuwanderergruppen beinhaltet: 1. Arbeitsmigranten, 2. Zuwanderer, die aus politischen und humanitären Gründen aufgenommen werden (z.B. Kontingentzuwanderer und Spätaussiedler), und 3. jene, deren Zuzug auf Rechtsansprüchen (Asyl, Familiennachzug) beruht. Während die 3. Säule nicht quotiert werden könne, da sich die Aufnahme aus bestehendem Recht ableitet, sei die Zuwanderung aus wirtschaftlichen, politischen sowie humanitären Gründen politisch steuerbar. Für die Zuwanderung von Arbeitskräften planen die Bündnisgrünen, den Bedarf alle 2 Jahre neu zu ermitteln und entsprechend zu quotieren. Die Obergrenzen für die 2. Säule sollen gemeinsam von Bundestag und Bundesrat ausgehandelt werden.
Beim Asyl schlägt die Partei eine Ausdehnung des Personenkreises vor, der dieses Recht in Anspruch nehmen kann. Zukünftig sollen auch nichtstaatliche Verfolgung, Verfolgung im Rahmen von Bürgerkriegen, geschlechtsspezifische Verfolgung, erlittene Folter und Misshandlung zur Gewährung von Asyl führen, wie es in der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgesehen ist".
Die CDU verabschiedete Anfang November eine Arbeitsgrundlage für ihre eigene Zuwanderungskommission, in der sie Eckpunkte ihrer zukünftigen Ausländerpolitik festhält. Entgegen ihrer früheren Haltung erkennt die CDU nun an, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Daher sei eine Gesamtregelung der Zuwanderung" nötig, die alle Gruppen von Zuwanderern einbeziehe. Die CDU befürwortet explizit die gesteuerte Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte" und will auch am Familiennachzug festhalten, wobei jedoch dafür Sorge getragen werden [muss], dass nachziehende Familienangehörige bereit und vor allem im Hinblick auf ihre Sprachkenntnisse auch in der Lage sind, sich zu integrieren". Sowohl CDU als auch CSU wollen das Nachzugsalter für Kinder im Rahmen des Familiennachzugs senken.
Zentrales Ziel der Christdemokraten ist die Bekämpfung des Asylmissbrauchs, da hier ungeregelte Zuwanderung" stattfinde. Obgleich die CDU politischen Flüchtlingen auch weiterhin Schutz garantieren will, soll in Zukunft sichergestellt werden, dass das Asylrecht wirklich nur den tatsächlich politisch Verfolgten zugute kommt". Denn, so das Papier, 90% der Asylbewerber können sich letztlich nicht auf ,politische' Verfolgung berufen". Dabei verweisen die Christdemokraten auf die niedrige Anerkennungsquote bei den gestellten Asylanträgen. Auch die Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sollen nach den Vorstellungen der CDU so beschleunigt werden, dass sie nach einem Jahr abgeschlossen sind.
Das Arbeitspapier der CDU verwendet beim Thema Integration den umstrittenen Begriff der Leitkultur. Ziel sei es, das Miteinander von Deutschen und Ausländern auf dem Boden unserer Verfassungswerte und im Bewusstsein der eigenen Identität" zu gestalten. In diesem Sinne sei die Beachtung dieser Werte als Leitkultur in Deutschland" zu verstehen.
Die CSU verweist in der gegenwärtigen Debatte auf ihre bereits im Juli 2000 festgelegten Eckpunkte zur Begrenzung und Steuerung der Zuwanderung. Sie geht davon aus, dass Deutschland kein klassisches Einwanderungsland" ist und künftig auch nicht zum Einwanderungsland werden soll. Die Begrenzung der Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten sei unabdingbar, während die maßvolle" Zuwanderung von in Deutschland benötigten Fachkräften und Experten sinnvoll sei. Hierzu hält die CSU eine jährliche Quote für Arbeitsmigranten erforderlich.
Auch die CSU will an einer Aufnahme von Ausländern aus humanitären Gründen festhalten und Asylmissbrauch stärker bekämpfen. Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes, der politisch Verfolgten Asylrecht einräumt, soll durch eine institutionelle Garantie ersetzt werden. Ferner hält auch die CSU am Begriff der Leitkultur fest.
Nach Auffassung der FDP muss sich die Einwanderungspolitik an den nationalen Interessen" ausrichten. Wer aufgenommen wird, sollte regelmäßig in der Lage sein, sich selbst zu unterhalten", so die FDP in einer Mitteilung ihrer Bundestagsfraktion. Weiter heißt es in dem Papier: Eine solche Einwanderungspolitik ist es schließlich, die die Integration und Akzeptanz der Zuwanderer erhöht." Die FDP tritt für den Erhalt des Grundrechts auf Asyl ein. Gleichzeitig weisen die Liberalen darauf hin, dass sich Zuwanderung und Asyl gegenseitig ausschließen sollten. Wer einen Asylantrag in Deutschland stellt, dürfe nicht zugleich einen Antrag auf Zuwanderung stellen. Dadurch erhofft sich die FDP einen deutlichen Rückgang der Asylbewerberzahlen.
Mitte November 2000 stellte die stellvertretende PDS-Vorsitzende Petra Pau ein Thesenpapier zur Einwanderungspolitik ihrer Partei vor, in dem u.a. offene Grenzen für Menschen in Not" und Rechtsansprüche auf Einwanderung" gefordert werden. Hinsichtlich des Asylrechts hält die PDS am individuellen Grundrechtsprinzip fest. Das Asylrecht müsse deutlich von Einwanderungsregelungen getrennt bleiben. Des Weiteren fordert die PDS die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes, des so genannten Flughafenverfahrens sowie die Anerkennung geschlechtsspezifischer Fluchtursachen als Asylgrund.
Im Gegensatz zu allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien hielt sich die SPD mit äußerungen zur Asyl-, Einwanderungs- und Integrationspolitik in jüngerer Zeit zurück. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, erklärte, dass die SPD zunächst die Arbeitsergebnisse der von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) einberufenen Zuwanderungskommission abwarten wolle. Wiefelspütz betonte zu
dem, dass sich in absehbarer Zeit die Zuwanderung von Fachkräften nur in Größenordnung der Green Card bewegen" könne. Die Vorschläge der Kommission werden erst im Sommer 2001 vorliegen, so dass ein Zuwanderungsgesetz nach Aussagen von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) noch vor der Bundestagswahl 2002 verabschiedet werden könnte. Im Bundesinnenministerium wird indes die Erarbeitung eines umfassenden Gesetzespakets über Zuwanderung und Integration noch vor der Bundestagswahl bezweifelt. Möglich sei jedoch eine Neuregelung von Vorschriften zur Einwanderung sowie eine Reform der Zuständigkeiten von Behörden.
Sowohl Bundeskanzler Gerhard Schröder als auch SPD-Generalsekretär Franz Müntefering lehnen die CSU-Forderung nach einer Umwandlung des individuell einklagbaren Grundrechts auf Asyl in eine institutionelle Garantie strikt ab. Sie betonten, dass das Asylrecht von der Debatte um ein Zuwanderungsgesetz klar getrennt werden müsse und eine Aufrechnung von Asylbewerber- und Einwandererzahlen nicht stattfinden dürfe. Unsere Vorstellungen von Selbstachtung gebieten es, dass wir Flüchtlingen unabhängig von der notwendigen Zuwanderung Zuflucht gewähren", so Schröder. Zudem sprach sich der Bundeskanzler für eine Harmonisierung des Asylrechts auf der Ebene der Europäischen Union aus.
Stefan Alscher, Antje Scheidler
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