Am 28. Juli 1951 wurde die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) unterzeichnet. Das fünfzigjährige Jubiläum der Magna Charta des internationalen Flüchtlingsrechts wurde nun zum Anlass einer europaweiten Debatte über ihre Aktualität.
Wichtigste Inhalte der Konvention sind die Definition des Flüchtlingsbegriffs und das Non-Refoulement Prinzip, d.h. das Verbot der Abschiebung in ein Gebiet, in dem einem Flüchtling Verfolgung droht (GFK Art. 33). In Artikel 1a(2) heißt es: „Ein Flüchtling ist eine Person mit der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen überzeugung". Diese Definition bezog sich zunächst hauptsächlich auf Flüchtlinge in Europa und auf Ereignisse vor dem 1. Januar 1951. Mit dem Protokoll von New York wurde 1967 die zeitliche und geographische Begrenzung aufgehoben. Bis heute haben 140 Staaten die Konvention bzw. das Protokoll unterzeichnet. Neben diesen internationalen Vereinbarungen existieren in vielen europäischen Staaten zusätzlich nationale Regelungen, in Deutschland beispielsweise §16a des Grundgesetzes, der politisch Verfolgten Asylrecht einräumt, oder das „asile territorial" in Frankreich.
Aktuellen Zahlen des Flüchtlingshilfswerkes der Vereinten Nationen UNHCR zufolge gibt es derzeit weltweit etwa 20-25 Mio. Flüchtlinge und Asylbewerber. Von ihnen gelangt nur ein kleiner Teil in die reichen Staaten Europas und Nordamerikas. Hinzu kommen etwa 25 Mio. Binnenflüchtlinge.
In Deutschland ist im Rahmen der Zuwanderungsdebatte erneut eine Kontroverse um das Asylrecht und speziell um die Anerkennung nichtstaatlicher Verfolgung ausgebrochen. Das UNHCR vertritt die Position, dass für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft der Urheber der Verfolgung nicht entscheidend sein sollte. Der ehemalige niederländische Ministerpräsident Ruud Lubbers, seit Beginn dieses Jahres Hoher UN-Flüchtlingskommissar, nannte die europäische Flüchtlingspolitik „eine Schande".
Lubbers appellierte in diesem Zusammenhang auch an die Bundesregierung, sich dem internationalen Standard anzupassen und Verfolgung durch nichtstaatliche Gruppen als Asylgrund anzuerkennen. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) lehnte dies jedoch entschieden ab und betonte gleichzeitig, dass es keine Schutzlücke im deutschen Asylrecht gäbe. Eine Ausweitung der Asylgründe würde die Verfahren „auf unabsehbare Weise ausufern lassen". Schily zufolge müsse nicht das Gesetz, sondern die Anwendungspraxis geändert werden. Er bezog sich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, afghanische Flüchtlinge als quasi-nichtstaatlich Verfolgte anzuerkennen. Schilys äußerungen gaben Anlass für Kritik bei Bündnis 90/Die Grünen und bei Teilen der SPD.
Auch in den anderen EU-Staaten ist Asyl ein aktuelles Thema. In Frankreich legte die Nationale Menschenrechtskommission Ministerpräsident Lionel Jospin (PS) kürzlich einen Entwurf zu einer grundlegenden Reform des Asylrechts vor. In Großbritannien wurden Maßnahmen zur Beschleunigung der Entscheidungs- und Berufungsverfahren ergriffen.
Auf dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten im Oktober 1999 im finnischen Tampere wurde beschlossen, das gemeinsame europäische Asylsystem auf eine „uneingeschränkte und allumfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention" auszubauen (vgl. MuB 8/99). Erste konkrete Schritte sollen in diesem Jahr folgen. Kritiker der Harmonisierung befürchten einen Abbau der Rechtssicherheiten für Flüchtlinge. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung Marieluise Beck (Bündnis 90/Die Grünen) hingegen sieht in der europäischen Harmonisierung des Asylrechts eine „Chance für dringende erforderliche Verbesserungen auch in Deutschland".
Der britische Premierminister Tony Blair (Labour) bezeichnete die Werte der Konvention zwar als „zeitlos", andererseits sei es jedoch an der Zeit, „innezuhalten und ihre Anwendung in der heutigen Welt zu überprüfen". Außenminister Jack Straw (Labour) fordert eine Debatte angesichts der durch die Globalisierung veränderten Situation. Unter dem Titel „Globale Konsultationen" organisiert das UNHCR zur Zeit eine Reihe von Gesprächen mit den Vertragsstaaten und anderen Interessierten. me