Nur wenige der 15 Mitgliedstaaten haben die EU-Richtlinie zum Verbot der ethnischen Diskriminierung termingerecht in nationales Recht umgesetzt. Die Europäische Kommission drohte den säumigen Staaten mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.
Umsetzung der Richtlinie: Medienberichten zufolge hat lediglich Großbritannien die Richtlinie fristgerecht in nationales Recht überführt. Belgien, Schweden und Frankreich nahmen die Umsetzung der Richtlinie zumindest teilweise in Angriff. Auch Italien soll Fortschritte erzielt haben, wobei jedoch die italienische Regierung plant, die Gleichbehandlungsstelle in die Regierungsadministration einzugliedern. Gemäß der EU-Richtlinie muss jedoch die Unabhängigkeit dieser Behörde garantiert werden. Schlusslichter bei der Umsetzung sind Deutschland, Finnland, Griechenland, Luxemburg, Spanien und Österreich, wobei die österreichische Regierung jedoch noch kurz vor Ablauf der Frist einen Entwurf für ein Gleichstellungsgesetz vorlegte.
Die Richtlinie „zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft" (2000/43/EG) wurde am 29. Juni 2000 vom Rat der Europäischen Union einstimmig beschlossen. Eine dreijährige Frist sollte es den EU-Mitgliedsländern ermöglichen, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Diese Frist endete am 19. Juli dieses Jahres.
Der Richtlinie zufolge müssen die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten Gesetze verabschieden, die Diskriminierung aufgrund von ethnischer Herkunft oder „Rasse" verbieten sowie Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt, in den sozialen Sicherungssystemen, bei Gesundheitsdiensten, im Bildungssystem sowie weiteren Dienstleistungen garantieren.
Diskriminierung ist laut der Richtlinie sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich zu verbieten und zu sanktionieren. Es sollen in erster Linie natürliche Personen, wenn nötig aber auch juristische Personen (Vereine, Unternehmen etc.) geschützt werden. Opfern von Diskriminierung ist ein effektiver Rechtsschutz zu gewähren. Bis zum 2. Dezember 2003 müssen die Mitgliedsländer unabhängige Gleichbehandlungsstellen einrichten, an die sich Opfer von Diskriminierung wenden können. Verbänden wird die Möglichkeit gegeben, im Auftrag der Opfer zu klagen oder sich unterstützend am Verfahren zu beteiligen (Verbandsklagerecht). Die Richtlinie sieht die so genannte Beweislastumkehr vor. Das heißt, dass der Kläger die Tatsachen, aus denen sich eine Diskriminierung ergeben hat, lediglich glaubhaft machen muss. Der Beklagte hingegen muss beweisen, dass er nicht diskriminiert hat. Dieses Verfahren steht im Gegensatz zur Rechtstradition in mitteleuropäischen Ländern. Hier gilt -so auch in Deutschland -dass jemand so lange als unschuldig anzusehen ist, bis das Gegenteil bewiesen wurde.
Die EU-Kommissarin für Beschäftigung und Soziales Anna Diamantopoulou zeigte sich besorgt darüber, dass die Richtlinie bis zum Ablauf der Frist kaum umgesetzt wurde. Zugleich kündigte sie an, dass gegen säumige Staaten notfalls vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt werde. Der Londoner Europa-Abgeordnete Claude Moraes (SPE) gab zu bedenken, dass die mangelnde Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinie ein negatives Signal an die mittel- und osteuropäischen Beitrittsländer sende. Diese müssen ihre Gesetzgebung hinsichtlich des Umgangs mit Minderheiten, wie etwa den Roma, noch vor ihrem EU-Beitritt anpassen.
Deutschland: In Deutschland ist ein Antidiskriminierungsgesetz zwar Bestandteil der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Bislang konnten die Koalitionspartner jedoch keine Einigung in dieser Frage erzielen. Die SPD strebt eine so genannte „kleine Lösung" an, bei der nur die Kategorien „ethnische Herkunft" und „Rasse" einbezogen werden. Andere Formen der Diskriminierung sollen demnach erst dann gesetzlich verboten werden, wenn ein entsprechender Handlungsbedarf erkennbar ist. Bündnis 90/Die Grünen fordern hingegen die Einbeziehung von Diskriminierung aufgrund sexueller oder religiöser Orientierung sowie körperlicher Behinderung. Dieser Vorstoß geht über die EU-Mindestvorgaben hinaus (vgl. MuB 5/02).
Das Deutsche Institut für Menschenrechte stellte im Juli 2003 eine Studie über Diskriminierung und Rassismus in Deutschland vor. Deren Autor, David Nii Addy, stellte fest, dass sich Deutschland zwar hohe menschenrechtliche Standards gesetzt habe, die Umsetzung der ratifizierten Vereinbarungen jedoch unzureichend sei.
Österreich: Der österreichische Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Barteinstein (ÖVP) stellte wenige Tage vor Ablauf der Frist zur Richtlinienumsetzung den Entwurf für ein Gleichbehandlungsgesetz vor. Der Gesetzesentwurf soll mehrere EU-Richtlinien umsetzen, darunter auch die Antidiskriminierungsrichtlinie. Die Opposition aus SPÖ und Grünen kritisierte den Entwurf jedoch als „minimalistisch". Verbandsklagerecht und Beweislasterleichterung für Diskriminierungsopfer würden fehlen. Das Ministerium dementierte dies. Außerdem wiesen Opposition und Nichtregierungsorganisationen wie die Volkshilfe darauf hin, dass in den Budgets für die Haushaltsjahre 2003 und 2004 keinerlei Finanzierung der einzurichtenden Gleichbehandlungsstelle vorgesehen sei.
Großbritannien: Im Vereinigten Königreich wurde bereits mit dem Race Relations Act von 1976 eine Antidiskriminierungskommission geschaffen. Neue Rechtsvorschriften, die dieses Gesetz an die Bestimmungen der EU-Richtlinie anpassen, treten im Dezember 2003 in Kraft. Umfassende Regelungen zur Gleichbehandlung gibt es außerdem in den Niederlanden und Irland. sta
Der Wortlaut der Richtlinie ist abrufbar
unter:
europa.eu.int/comm/employment_social/news/2002/jan/2000-43_de.pdf
Weitere Informationen im Internet:
www.stop-discrimination.info
www.institut-fuer-menschenrechte.de
www.vdj.de/Bundesseiten/2003-07_eu-antidiskriminierung.pdf