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Ausgabe 5
Juli 2004
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Deutschland, Frankreich, Großbritannien: Umgang mit radikalen Islamisten

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA wurden in vielen Ländern Anti-Terror-Gesetze erlassen. Viele Maßnahmen richten sich vor allem gegen radikale Islamisten. Im Mai und Juni wurde der Umgang mit radikalen Islamisten in Deutschland, Frankreich und Großbritannien zum zentralen Thema.

Deutschland: In Deutschland bestimmte der Fall des Islamistenführers Metin Kaplan die öffentliche Diskussion. Der selbsternannte „Kalif von Köln“, dessen Vereinigung „Kalifatstaat“ im Dezember 2001 von Innenminister Otto Schily (SPD) wegen „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ verboten wurde, soll in die Türkei abgeschoben werden. Nachdem er 1992 als Asylberechtigter anerkannt wurde, verlor er infolge einer Verurteilung zu einer Haftstrafe von vier Jahren wegen Aufrufs zum Mord sein Aufenthaltsrecht.

In der Vergangenheit konnte Kaplan, gegen den ein Auslieferungsantrag der Türkei wegen eines angeblich geplanten Anschlags vorliegt, jedoch nicht abgeschoben werden (vgl. MuB 7/03). Die zuständigen Gerichte begründeten dies mit der Wahrscheinlichkeit eines unfairen Prozesses bzw. unmenschlicher Behandlung in der Türkei. Im Mai widersprach dann das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in zweiter Instanz dieser Auffassung und ermöglichte somit eine Abschiebung Kaplans. Das OVG ließ aber wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht zu, das voraussichtlich Ende 2004 entscheiden wird. Der Versuch einer juristisch umstrittenen Blitzabschiebung scheiterte daran, dass Kaplan zum Zeitpunkt der geplanten Festnahme nicht in seiner Wohnung auffindbar war, obwohl er zuvor überwacht wurde.

Es ist weiter umstritten, ob der 52jährige Kaplan während des Revisionsverfahrens abgeschoben werden kann. Zunächst hatte das Verwaltungsgericht Köln einen Abschiebestopp von zwei Monaten bis Ende Juli verhängt, der bei Bedarf verlängert werden kann. In dieser Zeit muss sich Kaplan täglich bei der Polizei oder der Ausländerbehörde melden. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist noch eine Revision beim Bundesverfassungsgericht und beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte möglich.

Der Fall Kaplan wurde zum Anlass einer Debatte über den Umgang mit religiösen Extremisten. Auch die Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz (vgl. MuB 5/04) wurden in den letzten Monaten von der Debatte zum Anti-Terrorkampf überlagert. Die Ausweisung von Terrorverdächtigen und so genannten „Hass-Predigern“, wird mit dem Gesetz vereinfacht. Ist die Ausweisung nicht möglich, können die Behörden den Bewegungsraum für Terrorverdächtige einschränken und ihnen den Kontakt zu bestimmten Personen untersagen. Die vom Bundesinnenminister ins Spiel gebrachte und von der Union vehement geforderte Sicherungshaft für Verdächtige, die nicht abgeschoben werden können, weil ihnen Todesstrafe oder Folter drohen, ist im neuen Gesetzentwurf jedoch nicht enthalten. Eine solche Haft verstieße nach fast einhelliger Auffassung von Verfassungsjuristen gegen das Grundgesetz. Einige Unionspolitiker hatten zudem die Einführung elektronischer Fußfesseln gefordert. In einem Interview zog Schily sogar die Tötung potenzieller Attentäter in Erwägung. Der Innenminister forderte ferner eine Überprüfung und etwaige Verschärfung der nach dem 11. September 2001 erlassenen Anti-Terror-Gesetze.

Frankreich: Auch in Frankreich gibt es derzeit eine öffentliche Debatte über den Umgang mit Islamisten. In den letzten Monaten wurden mehrere radikale Imame auf Anweisung des Innenministers abgeschoben. Für Aufsehen sorgte der Fall des Algeriers Abdelkader Bouziane. Dieser wurde im April abgeschoben, nachdem er in einem Zeitungsinterview die Steinigung von Frauen, die Ehebruch begingen, als durch den Koran legitimiert bezeichnet haben soll. Inzwischen ist der 52jährige nach erfolgreichem Einspruch gegen die Abschiebung zurückgekehrt, da seine Kinder französische Staatsbürger sind. Die mutmaßlichen Verbindungen zu islamistischen Terroristen, die neben den Äußerungen zu Steinigungen für seine Abschiebung relevant waren, stellten sich vor Gericht als nicht haltbar heraus. Ferner wurde in einer Gerichtsverhandlung nach seiner Rückkehr deutlich, dass das Magazin, welches das Interview veröffentlicht hatte, die Äußerung des Imam zugespitzt hatte.

In Reaktion auf Bouzianes juristischen Erfolg verabschiedete die französische Regierung Mitte Juni ein Gesetz, das die Motive für die Abschiebung von Ausländern mit familiären Bindungen in Frankreich erweitert. Künftig können auch Personen abgeschoben werden, die zur „Provokation von Gewalt gegen eine bestimmte Person“ aufrufen. Dies beinhaltet auch die Diskriminierung von Frauen. Die Oppositionsparteien stimmten gegen das Gesetz, da sie befürchten, dass erleichterte Abschiebungen missbräuchlich angewandt werden können. Muslimische Organisationen wandten sich ebenfalls dagegen: „Abschiebungen fördern nur die Vorstellung, dass der Islam ein fremdes Element ist“, sagte der Präsident der als islamistisch geltenden Union islamischer Organisationen Frankreichs (UIOF) Lhaj Thami Breze. Breze sprach sich dafür aus, dass radikale Imame vielmehr durch muslimische Organisationen Frankreichs diszipliniert werden sollten. Im vergangen Jahr wurde der erste nationale Islamrat (CFCM) gewählt. Dieser soll eine einheitliche Vertretung aller in Frankreich lebenden Muslime gegenüber der Regierung und auch für die Ausbildung der Imame zuständig sein (vgl. MuB 4/03). Beobachter werten dies als Versuch der Schaffung eines moderaten Islams, der mit der französischen Verfassung vereinbar ist.

Großbritannien: In Großbritannien bestimmte der Fall des Imams Abu Hamza al-Masri die Schlagzeilen. Der gebürtige Ägypter wurde Ende Mai nach einem Auslieferungsantrag der USA festgenommen. Über die Stichhaltigkeit des Antrags muss noch entschieden werden. Bedingung für eine Auslieferung an die USA ist, dass dem Prediger dort nicht die Todesstrafe droht. Bereits im April 2003 hatte die britische Regierung al-Masri die britische Staatsbürgerschaft aberkennen wollen. Dafür wurde eigens ein Gesetz geschaffen. Der Prediger hatte den britischen Pass 1981 durch Heirat erworben. Abu Hamza al-Masri hatte gegen den Entzug der Staatsbürgerschaft geklagt, eine Entscheidung wird für Anfang 2005 erwartet. Menschenrechtsorganisationen kritisierten das Vorgehen. „Wenn eine Person etwas Falsches tut, muss ein Urteil gefällt werden. Man nimmt ihr deshalb nicht die Staatsbürgerschaft weg“, so ein Rechtsexperte. Muslimische Organisationen kritisierten sowohl die mögliche Ausweisung aber auch die radikalen Aussagen des Imams. Sie befürchten eine Zunahme von Diskriminierung gegen Muslime. „Der Imam hat den Islam in Verruf gebracht“, so Fahdi Itani, Chef eines muslimischen Kulturzentrums in London, „wir müssen ständig beweisen, dass wir gute Staatsbürger sind“.

Presseangaben zufolge plant die britische Regierung auf Vorschlag des muslimischens Mitglieds des House of Lords, Nizar Ahmed (Labour), die Einführung eines staatlich subventioniertens Sprachtrainings sowie eines „Civic Engagement Tests“ für Imame im Vereinten Königreich.

Nach den Anschlägen von 2001 hatte die britische Regierung bereits die Regelungen zur Auslieferung verschärft und die „Anstiftung zu religiösem Hass“ zu einer Straftat erklärt. Ferner darf die britische Polizei Terrorismusverdächtige unbefristet ohne Anklage festhalten.

Im Jahresbericht 2003 kritisierte Amnesty International die in vielen Ländern verabschiedeten Anti-Terror-Gesetze. Diesen sei oft Folgendes gemeinsam: „[S]chwammige Definitionen der neuen Vergehen, weit reichende Befugnisse zur Festnahme und Inhaftierung von Personen ohne Anklage, ohne Verfahren, oft auf Basis geheimer Beweise; die Möglichkeit von langen Perioden der Einzelhaft, die bekanntermaßen Misshandlungen begünstigen“. Hauptbetroffene seien Personen muslimischen Glaubens bzw. arabischer Herkunft, da diese als Hauptverdächtige gelten. In Deutschland leben etwa 3 Mio. Muslime, in Frankreich 5 Mio. und in Großbritannien etwa 2 Mio. me

Weitere Informationen:
www.aufenthaltstitel.de/stichwort/kaplan.html
www.lexisnexis.de/aktuelles.php?showaktuelles=47990&or=14&ur=&tt=rechtsprechung
http://64.207.171.242/index.html (Islam & Muslims in Europe)
www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/WJahresberichtAkt?OpenView&Start=1&Count=200

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