Anfang Oktober hat Italien mehr als 1.000 Bootsflüchtlinge nach Libyen abgeschoben, die kurz zuvor auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa gelandet waren. Grundlage ist ein im September zwischen Italien und Libyen unterschriebenes Rücknahmeabkommen.
Das Abkommen macht es möglich, die Abschiebeprozedur zu beschleunigen. Weiter vereinbarten die Regierungen eine Ausbildungshilfe für libysche Polizeibeamte sowie die Finanzierung libysch geführter Aufnahmeeinrichtugen durch Italien. Schon in den nächsten Wochen will Rom Großzelte für insgesamt 150.000 Personen nach Libyen schicken (vgl. MuB 9/03).
Anfang Oktober trafen rund 1.200 Bootsflüchtlinge in Lampedusa ein. Als deutlich wurde, dass sie von Libyen aus nach Italien aufgebrochen waren, wurden sie ohne genauere Identifizierung, Feststellung ihrer Staatsangehörigkeit oder Prüfung ihres Asylrechts innerhalb von 48 Stunden nach Libyen zurückgeschickt. Lediglich etwa 250 Personen wurden in ein Aufnahmezentrum gebracht, wo sie einen Asylantrag stellen können. Dies ist ein deutlicher Bruch mit der bisherigen Praxis des Landes (vgl. MuB 7/04; 6/03).
Die Massenabschiebungen wurden von verschiedenen Seiten kritisiert. Scharfe Kritik übte die Vertreterin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) in Italien, Laura Boldrini. Sie wies darauf hin, dass Italien die Flüchtlinge einem Staat überantwortet, der kein überprüfbares Asylverfahren kennt und die Genfer Flüchtlingskonvention nicht unterzeichnet hat. UNHCR kritisierte weiterhin, dass der Behörde der Zugang zu dem Aufnahmezentrum auf Lampedusa mehrere Tage verweigert wurde. Nach einer vorläufigen Einschätzung eines UNHCR-Mitarbeiters wurde aufgrund der schnellen Vorgehensweise nicht allen Individuen die Möglichkeit gewährt, einen Asylantrag zu stellen.
Für Giulio Calvisi, Abgeordneter der italienischen Demokratischen Linken, sahen die Repatriierungsaktionen wenige Stunden nach der Ankunft nach „Kollektivabschiebungen" aus, die durch von Italien unterzeichnete internationale Verträge verboten seien. Vertreter von Hilfsorganisationen kritisierten die Rücksendepraxis als „zynisch und inhuman". Innenminister Giuseppe Pisanu (Forza Italia) verteidigte die Abschiebungen. Die Regierung handle mit „der notwendigen Entschiedenheit" und im Einklang mit dem Gesetz, sagte der Innenminister. me
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www.unhcr.ch/
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