Der Streit um den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz hat sich verschärft. Nicht nur die Opposition und die Wirtschaft, auch SPD-Spitzenpolitiker hatten ihn zunehmend in Frage gestellt. Der Bundesrat erwirkte am 18. Februar einen Entschluss (BR-Drs. 103/05), wonach das Gesetz nicht verabschiedet werden soll, und forderte den Bundestag auf, sich auf das europarechtlich Geforderte zu beschränken. Der Entwurf geht weit über die EU-Richtlinien hinaus.
Danach überarbeitete ihn die Koalition bis Ende März in 40 Punkten. Die Änderungen gehen den Kritikern jedoch nicht weit genug. Im Sommer 2002 war ein erster Versuch zur Verabschiedung bereits innerhalb der Koalition gescheitert (vgl. MuB 5/02). Das Antidiskriminierungsgesetz soll vier EU-Richtlinien umsetzen. Diese schreiben den Mitgliedstaaten vor, über das Arbeitsrecht Benachteiligungen nach acht Kriterien zu verbieten: Rasse, Ethnie, sexuelle Identität, Alter, Weltanschauung, Religion, Behinderung und Geschlecht. Im Zivilrecht sollen zwei Kategorien berücksichtigt werden: Ethnie und Geschlecht. Die aktuelle Gesetzesvorlage reicht über die europäischen Vorgaben deutlich hinaus. Ihr zufolge sollen auch im Zivilrecht alle acht Kriterien berücksichtigt werden, was Klagen auf Schadenersatz und Schmerzensgeld möglich machen würde. Der Schutz soll allerdings im zivilrechtlichen Bereich nur für so genannte Massengeschäfte wie etwa Versicherungen gelten.
Zu den wichtigsten Überarbeitungen im Entwurf gehört, dass die Haftung von Dritten gestrichen wurde. Zuvor hätten Arbeitgeber zur Entschädigung verpflichtet werden können, wenn ein Angestellter durch Dritte belästigt wird. Ferner bleibt Betroffenen nur eine Frist von sechs Monaten, um Ansprüche anzumelden. Dies soll einen Bürokratisierungszuwachs verhindern. Den Kirchen bleibt in der überarbeiteten Fassung erlaubt, Beschäftigte nach Religion auszuwählen. Auch die Vorschriften zur Altersdiskriminierung wurden präzisiert: Besondere Bestimmungen für ältere Arbeitnehmer wie Kündigungsschutz oder Abfindungen sollen erhalten bleiben. Im Zivilrecht ist man auf Einwände von Wohnungsunternehmen eingegangen. Bei Vermietung bleibt eine sozial ausgewogene Auswahl der Mieter zulässig. Versicherungen dürfen in ihren Verträgen zwischen ihren Kunden unter der Voraussetzung weiter differenzieren, dass unterschiedliche Risiken statistisch sicher belegt werden. Für private Krankenversicherer soll das neue Gesetz erst ab Ende 2007 gelten.
Die Wirtschaftsverbände lehnen den Gesetzentwurf auch in der geänderten Version ab. Sie kritisieren u.a. die Umkehr der Beweislast. Danach müsste nicht der Kläger eine ihm widerfahrene Diskriminierung nachweisen, sondern der Arbeitgeber müsste belegen, nicht diskriminiert zu haben. In der EU-Richtlinie sei dies nicht vorgesehen und man fürchte eine Klageflut, so die Vertreter der Wirtschaft.
Innenminister Otto Schily, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, Finanzminister Hans Eichel und Familienministerin Renate Schmidt (alle SPD) hatten zuvor vor dem Bürokratieaufwand eines derartigen Gesetzes gewarnt. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) lehnte das Gesetz als „zusätzliche Belastung für die Wirtschaft" ab. Steinbrück stellte in Zweifel, dass sein Land dem Gesetz im Bundesrat zustimmen werde. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) äußerte sich skeptisch. Die Vorsitzenden von CDU und FDP Angela Merkel und Guido Westerwelle forderten die Bundesregierung auf, den Gesetzentwurf zurückzuziehen. Merkel bezeichnet das Gesetz als „Jobkiller".
Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering schloss indes grundsätzliche Änderungen aus: „Im Einzelnen mag noch etwas zu verbessern sein, aber insgesamt ist das eine vernünftige Regelung." Auch die Vorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen Claudia Roth und Reinhard Bütikofer sowie Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) verteidigten das Gesetz. Man könne Diskriminierung nicht dadurch rechtfertigen, dass man Bürokratisierung ablehne. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) forderte vom Kabinett mehr Rückhalt und Disziplin. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Deutsche Mieterbund befürworten den Gesetzentwurf. chw
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