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Ausgabe 7
September 2005
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Großbritannien: Sicherheitspolitische Maßnahmen nach Terroranschlägen

Nach den Anschlägen auf den Londoner Nahverkehr am 7. und 21. Juli hat die britische Regierung zusätzliche Maßnahmen zur Terror-Bekämpfung angekündigt. Bei den Attentaten am 7. Juli waren 56 Menschen getötet und über 700 verletzt worden. Der britische Premierminister Tony Blair (Labour) stellte Anfang August einen 12-Punkte-Plan vor. Verschiedene Politiker, muslimische Verbände und Menschenrechtsorganisationen verurteilten die darin enthaltenen Vorschläge. Auf starke Kritik stieß auch die Strategie der Londoner Polizei, verdächtige Personen per Kopfschuss zu töten. Bei einer derartigen Aktion war am 22. Juli ein unschuldiger Brasilianer in der U-Bahn erschossen worden. Im Zuge der Debatten stiegen rassistische Übergriffe auf Muslime an.

Nach anfänglicher Ablehnung pauschaler Verdächtigungen gegenüber den rund 1,5 Mio. Muslimen in England wurden Blairs Pläne als Trendwende gewertet. Folgende Kernforderungen aus dem 12-Punkte-Plan sorgten für Entrüstung: die unverzügliche Deportation ausländischer „Hassprediger“ ohne Berufungsverfahren; die Schließung von Moscheen, die diesen Geistlichen ein Forum bieten; ein umfassendes Verbot von als extremistisch eingestuften Gruppen sowie die Erstellung schwarzer Listen mit Namen von Menschen, die dem Staat gefährlich erscheinen. Ein Eintrag in eine solche Liste soll bereits nach einem festgestellten Kontakt zu einschlägigen Organisationen, Buchläden oder dem Besuch von entsprechenden Webseiten erfolgen.

Außerdem erwägt Blair eine Sondersitzung des Parlaments, um Gesetze zu beschließen, die eine „Verherrlichung des Terrorismus“ strafbar machen. Die Befugnisse des Innenministeriums sollen ausgebaut werden. In Zukunft soll das Ministerium Hausarrest über mutmaßliche Terroristen verhängen können. Die Forderung geht so weit, dass Prediger, die zur Gewalt aufrufen, als „Hochverräter“ verurteilt und in Vorbeugehaft genommen werden könnten. Beamte des Innenministeriums bestätigten, dass die Regierung über die Installation geheimer Gerichtshöfe nachdenke, die eine Inhaftierung mutmaßlicher Terroristen vor einer regulären Verurteilung möglich machen sollen.

Quer durch Parteien und Interessengruppen riefen die Pläne der Blair-Regierung Kritik hervor. Eine Beugehaft berge „enorme Gefahren“, warnte etwa der Direktor der Justizreform-Lobby „Justice“ Roger Smith zusammen mit vielen liberalen Rechtsexperten. Der Rückfall auf 650 Jahre alte Hochverratsgesetze sei „gänzlich ungeeignet“ für den Kampf gegen modernen Terrorismus. Der frühere Labour-Staatssekretär John Denham zeigte sich besorgt über den „Anflug von Panik“, den die Regierung verbreite, „und das nach dem äußerst vernünftigen und angemessenen Vorgehen unmittelbar nach den Bombenanschlägen.“ Liberale Politiker und Bürgerrechtsverbände befürchten ein Ende der toleranten britischen Gesellschaft. Muslimische Verbände warnen vor verhängnisvollen Folgen. Zehn Tage nach den ersten Anschlägen hatte die größte Organisation sunnitischer Muslime „Jamaat a Ahl e Sunnat“ in einer Fatwa, einem verbindlichen Religionsedikt, verfügt, dass die Terrorakte die Grundsätze des Islams verletzten. Ebenso hatten sich Vertreter der britischen Muslime und Blair an einem Runden Tisch geeinigt, künftig gemeinsam gegen Hassprediger und Extremisten vorzugehen. „Ich bin ermutigt über das hohe Maß an Übereinstimmung unter den Muslimen und im gesamten politischen Spektrum“, hatte Blair anschließend betont.

Unter den Teilnehmern dieses Runden Tisches stießen Blairs jüngste Ankündigungen auf besonderes Unverständnis. Londons Polizeipräsident Ian Blair dagegen zeigte sich „sehr zufrieden" mit den Plänen zur Terror-Bekämpfung, da sie seiner Ansicht nach die Arbeit der Gesetzeshüter erleichterten.

London gilt als muslimisches Zentrum in Europa und daher seit langem als Aufenthaltsort für radikale Islamisten. In der Stadt stehen mehr als 100 Moscheen, es gibt unzählige muslimische Organisationen, Parteien und Exilgruppen, darunter die „Unterstützer der Scharia“ und die in Deutschland verbotene „Hizb ut Tahrir“ (Partei der Befreiung).

Die britische Regierung hatte im März dieses Jahres ein Anti-Terror-Gesetz verabschiedet. Das Gesetz erlaubt es dem Innenminister, Terrorverdächtigen unbefristete Hausarreste oder Kommunikationsverbote aufzuerlegen. Zwar muss ein Richter die Verordnung binnen sieben Tagen bestätigen, doch genügt ein begründeter Verdacht. Das Gesetz ersetzte den „Terrorist Act“ von 2001, der von den Obersten Richtern des Oberhauses für verfassungswidrig erklärt wurde (vgl. MuB 5/04, 1/05). Blairs Kritiker halten neue Gesetze für unnötig und sehen in den neuen Vorstößen ein machtpolitisches Manöver.

Ebenso heftig debattiert wurde die so genannte Todesschuss-Strategie der Londoner Polizei. Sie legitimiert die Tötung verdächtiger Personen, etwa auf dem Gelände des Nahverkehrs, durch gezielte Kopfschüsse. Nach diesem Prinzip wurde einen Tag nach den Anschlägen vom 21. Juli 2005 ein unschuldiger Brasilianer in der U-Bahn erschossen. Die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) forderte ebenso wie der brasilianische Außenminister Celso Amorim (Arbeiterpartei, PT) eine lückenlose Aufklärung des Polizei-Einsatzes. Der Londons Bürgermeister Ken Livingstone (Labour) machte die Urheber der Terroranschläge für den Tod des Unschuldigen verantwortlich. Die Polizei habe getan, was ihr notwendig erschien.

Nach den Anschlägen von London sind Gewalttaten gegenüber muslimischen Migranten und fremdenfeindliche Übergriffe sprunghaft gestiegen. Die Londoner Polizei berichtete Anfang August von einem Anstieg um fast das 7-fache. Allein in den ersten drei Tagen nach den Anschlägen wurden 68 Straftaten mit diesem Hintergrund registriert. Bis Ende Juli waren es 269 Fälle - verglichen mit 40 im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Muslimische Organisationen machten hierfür auch die Forderung nach einem strengeren Anti-Terrorkampf verantwortlich.

Auf einem Sondertreffen der G5 in Evian eine Woche nach den ersten Anschlägen von London beschlossen die EU-Innen- und Justizminister, die gemeinsame Terror-Bekämpfung zu intensivieren und schneller umzusetzen (vgl. MuB 7/05). Dazu gehören die routinemäßige Speicherung und der Austausch von Telefon- und Internetverbindungen. Bedenken des EU-Datenschutzbeauftragten Peter Hustinx gegen die geplante Speicherung wiesen die Minister zurück. Alle Argumente sprächen dafür, sagte auch Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). Derartige Vorhaben müssten beschleunigt werden. Schily unterstützte damit seinen britischen Amtskollegen Charles Clarke (Labour), der derzeit dem Ministerrat vorsitzt. Im Oktober will der EU-Ministerrat einen Rahmenbeschluss dazu verabschieden.

Innenminister Schily forderte ferner neue Maßnahmen zur Terror-Bekämpfung in Deutschland. Dazu gehörten eine „Vorbeugehaft“ für gefährliche Islamisten und ein weiteres Anti-Terror-Paket. Unterstützt wurde Schily von Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) und zahlreichen Unionsvertretern, die zusätzlich eine schnellere Abschiebung von Extremisten, die Überwachung von Moscheen in Deutschland mittels V-Leuten, den allgemeinen Zugang zu Fahndungsdaten für die Behörden, den flächendeckenden Einsatz von Überwachungskameras und den Einsatz der Bundeswehr im Inneren zur Terror-Abwehr forderten. chw

Weitere Informationen:
www.parliament.uk
www.gchq.gov.uk
www.ind.homeoffice.gov.uk
www.iasuk.org
www.met.police.uk
www.amnesty.org.uk

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