Die Debatte um die Verwendung von Gesprächsleitfäden im Vorfeld von Einbürgerungen hält an. In Bayern gibt es inzwischen einen eigenen Fragenkatalog, der in Gesprächen mit Einbürgerungswilligen zur Anwendung kommt. Auch Hessen setzt auf einen eigenen Einbürgerungstest. CDU und CSU drängen auf eine bundeseinheitliche Lösung.
Ausgelöst wurde die Debatte durch einen Gesprächsleitfaden für Behördenmitarbeiter in Baden-Württemberg. Mit dessen Hilfe sollte bei einbürgerungswilligen Personen aus 57 mehrheitlich muslimischen Staaten Werteeinstellungen geprüft werden (vgl. MuB 1/06). In den Religionsgemeinschaften und in der Politik war daraufhin deutliche Kritik laut geworden, während auch in anderen Bundesländern über eine Gesinnungsprüfung diskutiert wurde.
Info-Box:
Auszug aus dem hessischen Einbürgerungstest:
Frage 3: Nennen Sie drei deutsche Mittelgebirge!
Frage 10: Welche Versammlung tagte im Jahr 1848 in der Frankfurter Paulskirche?
Frage 17: Erläutern Sie den Begriff „Existenzrecht Israels“!
Frage 29: Nennen Sie die Bundesländer, die heute auf dem Gebiet der ehemaligen
DDR existieren!
Frage 47: Welche Möglichkeiten haben Eltern, die Partnerwahl ihres Sohnes
oder ihrer Tochter zu beeinflussen? Welche Handlungen sind verboten?
Frage 58: Für die Abgeordneten in den Parlamenten gilt der „Grundsatz
des freien Mandats“. Was heißt das?
Frage 71: Die Rechtsordnung verbietet, privat Vergeltung zu üben oder das
Recht auf eigene Faust durchzusetzen. Das Opfer einer Straftat darf an dem Täter
keine Rache nehmen. Wem steht alleine die Strafgewalt zu?
Frage 84: Der deutsche Maler Caspar David Friedrich malte auf einem seiner bekanntesten
Bilder eine Landschaft auf der Ostseeinsel Rügen. Welches Motiv zeigt dieses
Bild?
Frage 94: Welche Personen gelten in Deutschland als Pioniere des Automobilbaus?
Nennen Sie zwei Namen.
Frage 97: Welcher deutsche Arzt entdeckte die Erreger von Cholera und Tuberkulose?
Das Bundesland Hessen verwarf zunächst die Idee, einen ähnlichen Leitfaden wie in Baden-Württemberg zu entwickeln. Nun wurde aber ein Einbürgerungstest entwickelt. Er soll bei allen Einbürgerungswilligen zum Einsatz kommen und umfasst 100 Fragen, die im Internet bereits veröffentlicht wurden. Unter anderem werden Themen wie deutsche Geschichte und Kultur sowie Inhalte des Grundgesetzes abgefragt (siehe Info-Box). Außerdem wird das Einbürgerungsverfahren durch obligatorische Kurse zur Integration ergänzt, in denen die Migranten auf den Wissens- und Wertetest vorbereitet werden sollen. Innenminister Volker Bouffier (CDU) erklärte, jeder, der Deutscher werden wolle, solle „sich zuvor intensiv mit unserem Land und seiner Werteordnung auseinander gesetzt und sie auch akzeptiert haben“. Eine einseitige Verpflichtung für Muslime lehnte er indes ab.
Integrationskurse gibt es seit In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes 2005 bundesweit. Allerdings richten sich die Kurse an Neuzuwanderer, nicht an Einbürgerungswillige. Migranten, die nach Deutschland kommen, sind in der Regel zur Teilnahme an diesen Kursen verpflichtet. Ausländer, die schon länger in Deutschland leben, können nur teilnehmen, wenn es die Kapazitäten zulassen (vgl. MuB 5/04).
Das bayerische Innenministerium führte Anfang März einen eigenen Gesprächsleitfaden zur Einbürgerungspraxis ein. Neben der Regelanfrage beim Verfassungsschutz wird in Bayern jeder Einbürgerungswillige künftig auch befragt, ob er einer der vom Landesinnenministerium in München als extremistisch eingestuften Organisationen angehört oder diese unterstützt. Grundlage ist eine Liste aller Organisationen, die vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet werden. Dazu gehören neben zahlreichen islamistischen Gruppierungen wie etwa der Organisation Milli Görüs auch die Linkspartei, die DVU und die Republikaner.
Die Innenminister der unionsregierten Länder einigten sich Anfang Februar auf eine gemeinsame Linie beim Thema Einbürgerung. Vier Voraussetzungen sollen künftig gelten: ein bestandener Sprachtest, ein Staatsbürgerschaftskurs, eine Befragung des Bewerbers auf der Grundlage eines Gesprächsleitfadens und eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz. Ein daran orientiertes bundeseinheitliches Vorgehen soll im Mai bei der Innenministerkonferenz des Bundes und der Länder in Garmisch abgestimmt werden. Dies sei nötig, um Einbürgerungstourismus zwischen den Ländern zu verhindern. Die Bundesintegrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) begrüßte die Einigung: „Wir brauchen bei der Einbürgerung mehr als die Unterschrift unter unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung.“ Der niedersächsische Innenminister Schünemann (CDU) sprach sich ebenfalls für verpflichtende Kurse in Gesellschaftskunde aus. „Wenn wir das in das Zuwanderungsgesetz schreiben würden, wäre es bundesweit geregelt“, so Schünemann.
Die „Fragebogen“-Praxis wurde aber auch weiterhin scharf kritisiert. Der Zentralrat der Muslime erwägt eine Verfassungsklage gegen das Land Baden-Württemberg. Sollte es den Gesprächsleitfaden nicht zurückziehen, so werde der Zentralrat „gerichtlich dagegen vorgehen“, so ein Sprecher. Der Fragenkatalog sei „verfassungswidriges Verhalten von Amts wegen“. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Karl Lehmann kritisierte die Praxis ebenfalls: „Staatliche Gewissensprüfungen haben sich noch nie bewährt.“
Gegen Fragebögen sprachen sich auch die beiden SPD-Innenminister Ehrhart Körting aus Berlin und Karl-Peter Bruch aus Rheinland-Pfalz aus. Heftige Kritik kam aus den Reihen von Linkspartei und Bündnis 90/Die Grünen. Per Antrag (16/356) appellierte die Grünen-Fraktion an die Bundesregierung, auf das Land Baden-Württemberg einzuwirken, den „Muslimtest“ zurückzuziehen. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte: „Es muss erlaubt sein, sich einen persönlichen Eindruck über jemanden zu verschaffen, der deutscher Staatsbürger werden will.“ Dies dürfe aber nicht über einen Gewissenstest geschehen. Niebel sprach sich dafür aus, einen bundeseinheitlichen Leitfaden zu erarbeiten. Die baden-württembergische Landesregierung verteidigte indes ihr Vorgehen. Fragen etwa nach der Akzeptanz von Gewalt gegen Ehefrauen oder Töchter seien unverzichtbar, sagte ein Ministeriumssprecher und verwies auf Zwangsehen. Auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) signalisierte Unterstützung. Der Fragebogen sei sinnvoll. „Wer unsere Regeln nicht anerkennen will, der muss auch nicht nach Deutschland kommen“, sagte Schäuble. chw
Weitere Informationen:
www.innenministerium.
www.stmi.bayern.de
www.hmdi.hessen.de
www.integrationsbeauftragte.de
www.aufenthaltstitel.de/zuwg
www.einbuergerung.de