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Ausgabe 9
November 2006
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Europa / Welt: Debatte um Schleier und Kopftuch setzt sich fort

In Deutschland, Großbritannien und Italien setzt sich die Debatte um das Tragen muslimischer Kopftücher bzw. Schleier fort (vgl. MuB 6/06). Das Kopftuch ist seit einigen Jahren ein zentraler Streitpunkt in vielen Ländern Europas und der Welt. In mehreren Staaten, darunter Frankreich (vgl. MuB 7/04) und Deutschland (vgl. MuB 9/03), gibt es eigene gesetzliche Bestimmungen.

Deutschland: In Deutschland sorgte ein Aufruf türkischstämmiger Bundestagsabgeordneter für Aufsehen. In einem Zeitungsinterview hatten Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen), Lale Akgün (SPD) und Mehmet Daimagüler (FDP) Mitte Oktober die Musliminnen in Deutschland dazu aufgerufen, das Kopftuch als Zeichen ihrer Integrationsbereitschaft abzulegen. Das Kopftuch diene der Abgrenzung von der deutschen Kultur und werde als Symbol der Frauenunterdrückung empfunden, sagten die Abgeordneten. Daraufhin kam es in Deutschland und in der Türkei zu heftigen Reaktionen aus konservativen islamischen Kreisen. Die zwei Politikerinnen erhielten zahlreiche beleidigende Briefe. Deligöz erhielt sogar Morddrohungen und wurde daraufhin unter Personenschutz gestellt.

Muslimische Verbände in Deutschland solidarisierten sich mit der Politikerin, unterstrichen aber, dass sie im Hinblick auf das Kopftuch anderer Meinung sind. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime Axel Ayyub Köhler sagte: „Ich rufe die Muslime in Deutschland dazu auf, sich schützend vor diese Frau zu stellen.“ Ähnlich äußerte sich Oguz Ücüncü, Generalsekretär der islamistischen Organisation Milli Görüs: „Ich bin deutlich anderer Meinung als Frau Deligöz. Aber in einer Demokratie müssen alle solidarisch füreinander einstehen.“ Auch Spitzenpolitiker wie Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) verurteilten die Morddrohungen „als einen schwerwiegenden Angriff auf zentrale Werte der deutschen Verfassung“.

Unterdessen entschied die CDU/SPD-geführte Landesregierung von Schleswig-Holstein, das geplante Kopftuch-Verbot nicht in das neue Schulgesetz aufzunehmen. Muslimischen Lehrerinnen ist es weiterhin grundsätzlich gestattet, ein Kopftuch zu tragen. Damit sind auch christliche Symbole in Schulen weiter erlaubt. Dies ist möglicherweise eine Reaktion auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart, das das baden-württembergische Kopftuchverbot für unrechtmäßig erklärt hatte (vgl. MuB 6/06).

Zu überraschenden Ergebnissen kam die Ende September veröffentlichte Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) „Das Kopftuch - Entschleierung eines Symbols“. Die Ergebnisse der Studie widersprechen der weit verbreiteten Annahme, das Kopftuch stehe für die Unterdrückung der Frau. Mit Ausnahme der Religion seien die Einstellungen Kopftuch tragender Frauen zu wichtigen Lebensbereichen wie Partnerschaft, finanzielle Sicherheit oder der Wichtigkeit von Kindern durchaus vergleichbar mit jenen der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Die Autoren der Studie schlussfolgern, die deutsche Gesellschaft müsse sich darauf einstellen, „dass die Kopftuch tragenden Frauen ein Teil dieser Gesellschaft sind“, da die Mehrheit dieser Frauen entweder schon hier geboren ist oder seit langem in Deutschland lebt.

Großbritannien: Auch in Großbritannien gibt es seit Anfang Oktober eine ähnliche Debatte. Allerdings steht hier nicht das muslimische Kopftuch, sondern die vollkommene Verschleierung muslimischer Frauen im Zentrum der Diskussion. Ausgangspunkt war eine Kolumne des ehemaligen Außenministers Jack Straw (Labour) in einer Lokalzeitung seines Wahlkreises. Darin schildert er Gespräche mit Wählerinnen, die so verhüllt waren, dass nur die Augen erkennbar waren. Straw berichtet, wie er eine Muslimin bat, den Schleier abzunehmen, damit er während der Unterhaltung ihren Gesichtsausdruck sehen könne. Die Kolumne löste heftige Reaktionen von Anhängern des fundamentalistischen Islams aus. Straw verteidigte seine Position und forderte muslimische Frauen in Großbritannien auf, keinen Schleier mehr zu tragen. Die Verschleierung würde die Beziehungen von Menschen erschweren, da sie „eine sichtbare Bekundung der Trennung und der Unterschiedlichkeit“ sei, erklärte der Politiker. Etliche Prominente stellten sich hinter Straw, darunter auch Premierminister Tony Blair (Labour) und der islamkritische Schriftsteller Salman Rushdie.

Italien: In einer Reaktion auf die Debatte in Großbritannien forderte der italienische Regierungschef Romano Prodi (parteilos) Mitte Oktober die in Italien lebenden Musliminnen auf, nur solche Schleier zu tragen, die das Gesicht nicht verbergen. „Wenn sie den Schleier tragen wollen, ist es in Ordnung, man muss ihr Gesicht aber sehen können“, sagte Prodi. Gleichzeitig betonte er, dass ihm die Integration von Ausländern am Herzen liege.

Islamische Welt: Die Diskussion um das Tragen von Kopftüchern bzw. Schleiern ist nicht auf Europa beschränkt. In der islamischen Welt gibt es hierzu ebenfalls Diskussionen, auch innerhalb der Glaubensgemeinschaft. In Tunesien, wo das Tragen eines Schleiers in öffentlichen Gebäuden schon seit Beginn der 1990er Jahre untersagt ist, begann im Oktober eine von der Regierung durchgeführte Kampagne gegen das Tragen des islamischen Schleiers in der Öffentlichkeit. In Ägypten empfahl im Oktober Großmufti Ali Gomaa den Frauen, ihre Gesichter nicht zu verhüllen. Muslime sollten Extreme vermeiden und sich für einen Weg der Mitte entscheiden, erklärte Gomaa. Zuvor hatte die Kairoer Helwan-Universität angekündigt, keine schwarz verhüllten Studentinnen mehr in ihrem Wohnheim aufzunehmen, da Terroristen in anderen Ländern schon Frauengewänder und Schleier als Verkleidung benutzt hatten. me

Weitere Informationen:
KAS-Studie: Frank Jessen / Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Das Kopftuch - Entschleierung eines Symbols?, Download: www.kas.de/db_files/dokumente/zukunftsforum_politik/7_dokument_dok_pdf_9095_1.pdf

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