Die Schweizer Regierung plant eine Totalrevison des Asylrechts. Dabei sollen bisherige Revisionen in ein neues Asylgesetz übernommen werden. Die Revision sieht ein vereinfachtes Verfahren zur temporären Aufnahme von Gewalt- oder Kriegsflüchtlingen vor. Über das neue Asylgesetz sowie einen Dringlichen Bundesbeschluss" zu Maßnahmen gegen unkooperative Asylsuchende findet eine Volksabstimmung am 13. Juni 1999 statt.
Das Gesetzespaket soll insbesondere der veränderten Struktur von Asylsuchenden Rechnung tragen. Nur etwa ein Zehntel fällt in die Kategorie der klassischen" politischen Flüchtlinge, die wegen ihrer politischen Überzeugung verfolgt werden. Daher sieht das revidierte Asylgesetz die neue Kategorie des Schutzbedürftigen vor. Schutzbedürftig ist, wer vor Krieg, Bürgerkrieg oder allgemeiner Gewalt" in der Herkunftsregion flieht.
Im neuen Verfahren soll das Schweizer Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) zunächst den Begriff des Schutzbedürftigen präzisieren. Die politische Grundsatzentscheidung über schutzbedürftige Gruppen fällt der Schweizer Bundesrat (Regierung, bestehend aus sieben Mitgliedern bzw. Bundesräten). In den Aufnahmestellen des BFF soll nach einer kurzen individuellen Befragung geprüft werden, ob die Antragsteller zur Gruppe der Schutzbedürftigen gehören und somit Anspruch auf temporären Schutz in der Schweiz haben. Neu ist auch, dass den anerkannten Schutzbedürftigen nach dreimonatigem Aufenthalt eine Erwerbstätigkeit erlaubt werden soll. Der Schutz wird vom Bundesrat aufgehoben, wenn die Situation in der Herkunftsregion eine sichere Rückkehr erlaubt.
Im Falle einer offensichtlich vorliegenden persönlichen Verfolgung gilt weiterhin der Status des anerkannten Asyls. In Zweifelsfällen ist vorübergehender Schutz zu gewähren und das Asylverfahren für fünf Jahre auszusetzen. Nach Aufhebung des generellen Schutzes durch den Bundesrat erhalten alle Betroffenen rechtliches Gehör, also die Gelegenheit zu schriftlicher Stellungnahme. Dem folgt ein Asylverfahren mit eingehender Anhörung. Negative Entscheide können bei einer Asylrekurskommission angefochten werden. Frauenspezifische Fluchtgründe sollen Aufnahme in die Neuregelung finden.
Neu ist auch, dass die Fürsorgezuständigkeit des Bundes für anerkannte Flüchtlinge an die Kantone weitergegeben wird. Somit verlieren die Hilfswerke ihren festen Bundesauftrag, können jedoch in den einzelnen Kantonen in einen Wettbewerb mit staatlichen und kommerziellen Organisationen treten.
Seit Juli 1998 ist der Bundesbeschluss über dringliche Maßnahmen im Asyl- und Ausländerbereich" in Kraft. Über diesen Beschluss wird bei der Volksabstimmung am 13. Juni 1999 getrennt abgestimmt. Im Zentrum des Bundesbeschlusses steht der sog. Missbrauch im Asylbereich", v.a. im Falle von Personen, die ihre Identitätspapiere vorsätzlich versteckt oder vernichtet haben. Drei Gründe können die Behandlung eines Asylgesuchs verhindern: (1) wenn der Asylsuchende innerhalb von 48 Stunden keine Dokumente zu seiner Identifikation vorlegen kann, bzw. wenn er nicht glaubhaft machen kann, dass er dazu aus entschuldbaren Gründen nicht in der Lage ist"; (2) wenn er falsche Angaben zu seiner Identität oder Herkunft macht (in diesem Fall soll auch die umstrittene Sprachanalyse als Beweismittel anerkannt werden); (3) wenn das Gesuch offensichtlich zur Vermeidung einer Abschiebung z.B. während einer Verhaftung gestellt worden ist.
Nach Angaben der Bundesrätin Ruth Metzler (FDP) ist der Bundesbeschluss in den ersten neun Monaten bei 20.000 Entscheiden in 1.374 Fällen angewandt worden, darunter in 1.134 Fällen wegen Angabe einer falschen Nationalität, in 45 Fällen, weil nach längerem illegalem Aufenthalt ein Asylgesuch nachgeschoben wurde, und in 195 Fällen wegen fehlender Reisepapiere (sog. Papierlose"). sta