Das Vorhaben der rot-grünen Bundesregierung, ausländischen Computerspezialisten nach US-amerikanischen Vorbild den Zugang zum Arbeitsmarkt durch ein Sondervisum zu erleichtern (vgl. MuB 2/2000), entfachte eine neue Debatte um ein Einwanderungsgesetz sowie um das Asylrecht in Deutschland.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte Ende Februar angekündigt, bis zu 30.000 Experten aus der Informationstechnologie-Branche (IT) nach Deutschland zu holen, um so dem Arbeitskräftemangel in diesem Bereich kurzfristig zu begegnen. Inzwischen ist nur noch von maximal 20.000 befristeten Arbeitserlaubnissen für Nicht-EU-Ausländer die Rede.
Die Arbeitsgenehmigung wird auf fünf Jahre ohne Verlängerungsmöglichkeit befristet; damit soll eine dauerhafte Einwanderung der Fachkräfte vermieden werden. Wie Schröder Mitte März bekannt gab, sollen die entsprechenden Verordnungen zum Aufenthalts- und Arbeitsrecht in den nächsten drei bis vier Monaten in Kraft treten. Nachdem die ersten 10.000 Fachkräfte nach Deutschland gekommen sind, will die Bundesregierung prüfen, ob weitere 10.000 Green Cards benötigt werden.
In diesem Zusammenhang kündigte Schröder an, dass der Bundesanstalt für Arbeit (BfA) in Zukunft jährlich 200 Mio. DM mehr für Aus- und Weiterbildungen im IT-Bereich zur Verfügung stehen werden. Der Bundeskanzler sowie Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) machten ferner darauf aufmerksam, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre mit dem Programm "Schulen ans Netz" alle Schulen mit Internetzugängen versorgt werden sollen. Die Bundesregierung will so sicherstellen, dass die Schüler frühzeitig an die neuen Medien herangeführt werden. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt forderte die Bundesregierung auf, die Vergabe der Green Cards auf andere Industriezweige auszuweiten. Expertenmangel bestünde nicht nur in der Computerbranche. Dieser Vorstoß wurde von der Regierung jedoch abgelehnt.
Die Kritik am Green Card-Vorhaben hält indes an. Klaus Zwickel, IG-Metall-Vorsitzender, hält die weitere Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für ausländische Spezialisten weder für sinnvoll noch notwendig. Er warf der Industrie massive Versäumnisse im Ausbildungsbereich vor. Es sei "zu billig", diese jetzt mit befristeten Arbeitsgenehmigungen für ausländische Arbeitnehmer lösen zu wollen.
Der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) wirft indessen der Industrie vor, bei der Anwerbung ausländischer IT-Spezialisten hauptsächlich an billigen Arbeitskräften interessiert zu sein. Daher sollten die Unternehmen die Gemeinden und Kommunen bei der Aufnahme der ausländischen Experten sowie ihrer Familien finanziell unterstützen. Bouffier geht im Zuge der Spezialisten-Anwerbung von 50.000 bis 60.000 Personen aus, denn "die Computerleute kommen nicht allein, sie haben Familie". Der CSU-Sozialpolitiker Johannes Singhammer verwies in diesem Zusammenhang auf die Erfahrungen mit der Gastarbeiteranwerbung der 60er Jahre. Diese habe gezeigt, dass man Arbeitskräfte nicht für einen bestimmten Zeitraum ins Land holen und bei Bedarf nach Hause schicken kann.
In der neu entfachten Diskussion um ein Einwanderungsgesetz für Deutschland sprach sich die CDU für ein "Einwanderungsbegrenzungsgesetz" aus. Eine gesetzlich geregelte Zuwanderung müsse jedoch mit einer Einschränkung des Asylrechts einhergehen. Auch für die CSU muss im Mittelpunkt eines solchen Gesetzes die Begrenzung des Zuzugs von Ausländern stehen: "Wenn der Bundeskanzler das Signal gibt: mehr Zuwanderung, dann muss er auch bereit sein, in anderen Bereichen deutlich die Zuwanderung zu reduzieren", so der Chef der bayerischen Staatskanzlei Erwin Huber. Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Friedrich Merz plädierte dafür, dass sich geregelte Zuwanderung aus der "Interessenlage des Staates und nicht aus der der Einwanderer definieren" müsse.
Die Fraktion wird voraussichtlich im April 2000 einen Antrag in den Bundestag einbringen, in dem neben obligatorischen Sprach- und Integrationskursen für neu ankommende Ausländer auch die Begrenzung des Ausländerzuzugs nach Deutschland gefordert wird.
Während die SPD als Oppositionspartei vor ihrem Wahlsieg 1998 mehrfach ein Einwanderungsgesetz gefordert hatte, sieht sie derzeit keinen Handlungsbedarf mehr. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering erklärte, es werde in dieser Legislaturperiode keine dahingehenden Anstrengungen geben. Innenminister Otto Schily (SPD) hingegen zeigte sich prinzipiell offen für ein Zuwanderungsgesetz, sprach sich jedoch für eine eingehende Prüfung des Sachverhalts aus. Cornelie Sonntag-Wolgast, Staatssekretärin im Innenministerium (SPD), verwies auf die Notwendigkeit, ein solches Gesetz in den europäischen Rahmen einzubetten. Sowohl Bündnis 90/Die Grünen als auch die Liberalen sprachen sich für ein Einwanderungsgesetz aus. Die Ausländerbeauftragte Marieluise Beck (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte, die Zuwanderung solle auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt werden. FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle verwies auf den Gesetzesentwurf der FDP, der eine jährliche Quotierung des Zuzugs vorsieht und Zuwanderung an nationalen und wirtschaftlichen Interessen orientieren will. Dieser Entwurf scheiterte 1998 im Bundestag, die FDP will ihn jetzt jedoch erneut einbringen. Auch bei der FDP steht die Begrenzung des Zuzugs von Ausländern nach Deutschland im Vordergrund. Im Hinblick auf die Green Card-Regelungen warf Westerwelle der Bundesregierung "Flickschusterei" vor, denn nicht nur die Computerbranche bräuchte ausländische Fachkräfte. as