Die Innenminister von Bund und Ländern und der Zentralrat der Juden in Deutschland haben sich nach mehrmonatigen Verhandlungen auf eine Neugestaltung der jüdischen Zuwanderung aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion geeinigt. Jüdische Zuwanderer aus diesen Ländern müssen künftig eine Reihe von Kriterien erfüllen, um in Deutschland Aufnahme zu finden.
Die Innenministerkonferenz der Länder (IMK) hatte am 29. Dezember 2004 beschlossen, die jüdische Zuwanderung aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu begrenzen. Bisher durften Juden aus dieser Region im Rahmen jährlicher Kontingente nach Deutschland kommen.
Die Neuregelung erfolgte, weil die jüdische Zuwanderung seit 2005 unter das neue Zuwanderungsgesetz fällt und nicht mehr wie zuvor durch das Kontingentflüchtlingsgesetz geregelt wird. Als Grund für die Einführung von Aufnahmekriterien nannten führende Politiker, dass von den seit 1991 rund 200.000 eingewanderten Juden nur rund 80.000 Mitglieder in jüdischen Gemeinden wurden. Zudem seien rund 60 % der in Deutschland lebenden jüdischen Zuwanderer auf staatliche Hilfe wie Arbeitslosengeld und Sozialhilfe angewiesen.
Die von der Innenministerkonferenz beschlossene Begrenzung wurde vom Zentralrat der Juden in Deutschland und der Union progressiver Juden in Deutschland scharf kritisiert (vgl. MuB 1/05). Sie forderten die Einführung von Übergangsregelungen etwa für Antragsteller, die bislang noch keine Aufnahmezusagen erhalten haben, sowie erleichterte Familienzusammenführungen und eine Härtefallklausel.
Mit dem nun erreichten Kompromiss zeigten sich alle Beteiligten zufrieden. Der Präsident des Zentralrats der Juden Paul Spiegel sprach von einem „fairen Kompromiss". Im Vergleich zum ursprünglichen Konzept von Ende 2004 habe es deutliche Nachbesserungen gegeben, erklärte Spiegel. Als Erfolg wertete der Zentralrat vor allem die vereinbarten Härtefallregeln. Dieter Graumann, Verhandlungsführer des Zentralrats, hob hervor, der Kompromiss sichere „die für die Existenz und Zukunft der jüdischen Gemeinden so wichtige Zuwanderung von Juden aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion". Auch die Union progressiver Juden begrüßte die Einigung.
Aufnahmefähig bleiben wie bisher Personen jüdischer Nationalität im Sinne ehemaliger sowjetischer Vorschriften mit mindestens einem jüdischen Elternteil sowie deren Ehepartner und minderjährige ledige Kinder. Künftig müssen die Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion jedoch ausreichende Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachweisen und sich bei der Zentralen Wohlfahrtsstelle der Juden in Berlin einer Glaubensprüfung unterziehen. Zudem sollen die Einwanderer grundsätzlich in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt eigenständig zu sichern. Dazu wird eine so genannte Integrations- und Sozialprognose gestellt, bei der unter anderem die Berufsabschlüsse und die Gesamtsituation der Familie berücksichtigt werden.
Neu eingeführt wurde eine Härtefallklausel für die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung sowie eine Härtefallklausel bei Familienzusammenführung. Sie beinhalten vor allem deutliche Nachweiserleichterungen und eine bevorzugte Bearbeitung der Anträge.
Die neuen Aufnahmekriterien gelten für alle jüdischen Zuwanderer, die ihre Anträge nach dem 31. Dezember 2004 gestellt haben. Anträge, die bis zum 1. Juli 2001 gestellt wurden, werden nach den alten Bedingungen entschieden. Für diejenigen, die ihre Anträge ab dem 1. Juli 2001 gestellt haben, gelten in Härtefällen Ausnahmen bei den verschärften Aufnahmekriterien.
Auf Grund des EU-Beitritts der baltischen Staaten wurde die Aufnahme jüdischer Immigranten aus diesen Ländern entsprechend einer Vereinbarung der Bundesländer beendet. Zuständig für das Aufnahmeverfahren ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg. Die nun geltenden Regeln werden einem intensiven Monitoring aller beteiligten Partner im Rahmen eines Beirats unterzogen und sollen nach einer Probephase von einem Jahr notfalls nachgebessert werden. me
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www.liberale-juden.de
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